Zwischen Tradition und Moderne Panorama ungarndeutscher bildender Kunst
Für die Beteiligten ist es kein Geheimnis mehr: Diese aktuelle kollektive Schau – die jetzt in Budapest im Haus der Ungarndeutschen präsentiert wird – gilt als eine Kraftprobe für die Gruppenausstellung, die – aufgrund der Einladung des Donauschwäbischen Zentralmuseums – im kommenden Jahr in Ulm gastieren wird. Abgesehen davon zeigen – und das ist in der letzten Zeit übrigens schon zu einer festen Tradition geworden – die Mitglieder von VUdAK (Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler) jedes Frühjahr dem breiten Publikum ihre neuesten Werke in einer Gemeinschaftsausstellung. Außer den Kunstinteressenten bietet diese Musterung auch für den Kunstschaffenden selbst eine ausgezeichnete Gelegenheit, einen allgemeinen Überblick über die neueste „Ernte” erhalten zu können.
Nach der Begrüßung durch Johann Schuth, erster Vorsitzender des VUdAK, führte Kunsthistorikerin Borbála Cseh in die Veranstaltung ein. In ihrer Eröffnungsrede analysierte sie die Besonderheiten der ungarndeutschen Kunst im allgemeinen und speziell die Entwicklung der einzelnen Künstler seit dem letzten öffentlichen Treffen. Und es erwies sich wieder: Das Spektrum der ausgewählten Themen und Techniken oder der benutzten Materialien und verfolgten Stilrichtungen ist so breit wie nur möglich. Der Regenbogen wölbt sich von der Übernahme und Weiterentwicklung der volkstümlichen Traditionen bis zur Annäherung an internationale moderne Bestrebungen. Ein bildhübsch gepflegtes schwäbisches Bauernhaus auf László Heitlers gewollt naiven und folkloristisch dekorativen „Postkartenmotiven” hat als Fassadenornamentik das Baujahr 1847, ein anderes „Anno Domini 1851″. Géza Szily stellt in aufgelösten Farbflecken einen „Tolnauer Tag” dar. András Huber bedient sich der einfachsten Utensilien des Dorflebens (z. B. eines schäbigen Besens oder eines abgebrochenen Hauenstiels), um sogenannte „Schlammige Ikonen” komponieren zu können. Das Triptychon von Julius Frömmel hat die Erscheinungsform der mittelalterlichen Kirchenaltare mit reliefartigen Details. Robert König übernimmt die Herstellungsmethoden und eleganten Linienführungen der japanischen Holzschnitte, um alte Rebstöcke der schwäbischen Winzer unter der roten Sonne zu verewigen. Jakob Forster dagegen benutzt in Mischtechnik die Leichtigkeit der französischen Impressionisten für die Veduten aus Ungarn (die neogotische Silhouette des Parlaments im Frühjahrsschnee) oder aus Sizilien (die Meeresküste mit barockem Casinogebäude zwischen Palmen von Mondello).
„Die drei Schorokscharer” haben von den Ausstellungsorganisatoren die Hauptwand bekommen. Der früh verstorbene Adam Misch malte Ende der achtziger Jahren unter dem Titel „Immer wieder” oder „Dunkle Flecken mit Signalen” seine Unzufriedenheit mit der Realität in der unmittelbaren Umgebung. Der seit Jahrzehnten in Berlin (West) lebende Antal Lux pendelt seit dem Systemwechsel zwischen Deutschland und Ungarn. Um die Jahrtausendwende schuf er die lyrisch-abstrakte „Metamorphose” und den „Roten Hintergrund” als Variation auf ein immer wiederkehrendes Thema in seinem Lebenswerk. Josef Bartl benutzt mit großer Konzentration auch in den letzten Arbeiten die symbolischen Motive der sogenannten Schule von Sankt Andrä in „Strohlehmwand” oder beim „Getüpfelten Bild mit Grabholz”. In seiner aktuellen Malperiode hat György Jovián unermüdlich mit der Muttererde zu tun, diesmal mit feurigen Tönen unter dem Titel „Scherben”. Vermutlich ließ sich auch János Wagner vom Ackerboden inspirieren, sei es mit horizontalen Streifen in grüner Farbe in „Frühling” oder in dunkelbraunen Vertikalen in „Schichten”. Organisch abstrakt wirkt István Damó mit Mischtechnik in seinem Diptychon „Auf den Pfaden der Beruhigung I.-II”. Mit Fotomontagen und aufgeklebten Textapplikationen bereichert Volker Schwarz die Oberflächen seiner lyrisch-malerischen Kompositionen.
Die geometrische Abstraktion hat einen eigenen Raum bekommen, obwohl Ákos Matzon neben seinen grauweißen, hart strukturierten Bändern auch auf dunkelrotem Fond mit spontan gespritzten schwarzen Ranken präsent ist, die mit Gestikmalerei zu tun haben. Manfred Karsch entwickelt die Traditionen der deutschen Avantgarde aus der Zwischenkriegszeit mit hellen grüngelben oder dunklen rotbraunen Farbflecken weiter. Die Architektur dient auch Tibor Budahelyi in der Objektserie „Statische Elemente” als Inspirationsquelle, die entweder in Bauhaus-Grundfarben (Rot-Gelb-Blau) oder ganz in Schwarz bemalt sind. Das quadratische Bild „Honig” von László Hajdú bleibt fast monochrom, daneben aber variierte er die Oberfläche mit Rastern. Beate Hajdú meldet sich mit einem faltenreichen Mini-Gobelin in Erdfarben und fixiert ebenso rigoros Lamellen aus patiniertem Kupfer auf schwarzem Karton mit Draht. Als simple Idee strukturiert Erzsébet Lieber geometrisch gefärbte Teebeutel auf ihrem minimalistischen Bild. Antal Dechandt kombiniert unterschiedliche Edelholzsegmente – wie Mammutbaum oder Eiche – in „Furchige Plastiken”. Er läßt die Naturfarben ganz unverändert, aber er mischt sich gelegentlich mit Stichel ein oder benutzt ganz einfach die Würmerspuren für seine eleganten und effektvollen Objekte.
Die Veranstaltung war musikalisch mit nostalgisch schön klingenden norwegischen Melodien – gespielt von dem Saxophonisten Karl B. Szabó – umrahmt. Die Ausstellung wurde vom VUdAK organisiert und von der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen sowie dem Institut für Auslandsbeziehungen gefördert und ist bis Ende des Monats Juni im Haus der Ungarndeutschen (Budapest VI., Lendvay Str. 22.) zu besichtigen. Um vorherige telefonische Anmeldung 269 1081 wird gebeten.
I. W.