ZeiTräume im Lenau-Haus
Bis zum 10. Mai ist die Gemeinschaftsausstellung der VUdAK-Künstlersektion „ZeiTräume” im Fünfkirchner Lenau-Haus zu sehen. Bei der Vernissage am 25. Feber sprach Kunsthistorikerin Borbála Cseh (auf dem Foto mit dem Ehepaar Dechandt aus Nadasch). Wir veröffentlichen ihre Eröffnungsrede.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Künstlersektion des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler hat hier eine Auswahl von zeitgenössischen Kunstwerken mitgebracht, nämlich diejenigen, die im September auch im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm ausgestellt werden.
Wenn man eine so reiche Sammlung von Werken vor sich hat, taucht unwillkürlich die Frage auf: ist das eine bunte Palette, die Kunst zur Schau stellt, oder gibt es irgendwelchen Zusammenhang hier, einen Leitfaden, der diese Werke zusammenhält?
Kunst ist eine Art von Kommunikation, die in der Darstellung individuell ist, aber von der Gesellschaft unzertrennlich funktioniert. Das künstlerische Schaffen wird durch die individuelle Verwirklichung bestimmt, die tief in dem gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Phänomen wurzelt. Ein künstlerischer Wert kann nur als ein Verhältnissystem zu seinem Hintergrund und seiner persönlichen Verfassung zum Leben geschaffen werden. Die Traditionen einerseits und andererseits die individuellen Ausgangspunkte sollen keineswegs als irgendwelche lineare „Entwicklung” betrachtet werden, eher als Wirkungen und Emotionen, die nur teilweise freiwillig gewählt werden können. Die Anwesenheit von manchen dieser Wirkungen ergibt das Dasein des Künstlers. Die Gegenwart des schöpferischen Ausdrucks wird ganz sicher nur durch die Anknüpfungen des Künstlers in einem einzelnen Kunstwerk realisiert werden.
VUdAK-Mitglieder als hochrenommierte zeitgenössische Künstler sind alle sehr charakteristische Repräsentanten unserer Kultur. Ihr Wirken und Schöpfen bildet die intellektuelle Seite unserer Alltage. Sie stellen Fragen, die unsere Wahrnehmung vertiefen. Sie formulieren die Erscheinungen in eine künstlerische Sprache um und sind alle in Begriffsbildung tätig, um eine eigene, einzige und einmalige Aussage zu präsentieren.
Diese Künstler setzen hier fort, was sie von ihrer deutschen Herkunft geerbt haben. Sie verkörpern ein Stück des Deutschtums hier in Ungarn und beweisen, wie vielfältig die deutsche Kultur ist. Die gemeinsamen deutschen Wurzeln geben diesen Künstlern einen ähnlichen kulturellen Hintergrund, sie sind aber alle frei in ihrer Ausdrucksweise – und das ist gut so. Die zweifache Verbindung macht die Annäherungen sowohl ungarisch als auch deutsch einfacher, natürlicher. Sie hat aber mit dem künstlerischen Wert nicht viel zu tun. Nicht eine Mitgliedschaft macht das Kunstwerk, sondern der eigene Wert. Die Gemeinschaft aber macht die Werke für alle erreichbar und fängt an, diese Werke in sich einzubauen, erörtert ihre Stellungnahme, die diese Werke evaluieren. Nichts ist wichtiger für eine Gemeinschaft als ihre Gegenwart. Nur eine verbürgte, lebendige Gesellschaft und Gemeinschaft kann ihre Traditionen gut bewahren und in der Zukunft weiterexistieren.
VUdAK-Mitglieder machen Traditionen zur Gegenwart offen und lassen Beziehungen zwischen Deutschtum und Ungarntum auf der Ebene der Kunst weiterentwickeln. Sie sprechen nicht mit Worten, geben aber uns allen Worte in Mund und Herz.
Ich möchte die ausstellenden Künstler in alphabetischer Reihenfolge nennen.
Josef Bartl gehört zu den großen Alten, vor allem was sein Ansehen betrifft. Sein Werk zeigt sich für die universelle Kunstgeschichte als ein umfangreiches, wertvolles Lebenswerk. Mit seinen neuesten Arbeiten beweist er auch heute Tag für Tag, daß seine absolut frische Ausdrucksweise den Begriff „zeitgenössisch” verständlich machen kann.
Die Objekte und andere Werke von Tibor Budahelyi sind charakteristische Beispiele dafür, wie Ironie einen tiefen philosophischen Inhalt wiedergeben kann.
István Damó vereinigt die Werte von malerischer Tradition mit individuellen Gedanken, die Ewigkeit und Spontaneität auf einmal erleben lassen.
Anton Dechandt darf man als einen an und für sich eigenartigen Schöpfer hochschätzen. Dem oberflächlichen Betrachter scheint es so, daß er Objekte macht, diese sind aber eher Welten, alle als Vorbilder der künstlerischen Kraft.
Jakob Forster ist der Künstler, der nicht nur in seinen Aquarellen, sondern auch in der Lebensweise die Traditionen befolgt. Unter den Kunstfreunden sind seine Arbeiten sehr beliebt, was kein Wunder ist.
Julius Frömmel wirkt an den Grenzen der malerischen Gattungen. Er baut Brücken unter schöpferische Felder und findet einen außerordentlichen Weg zwischen Dekorativität und Tiefe des Inhalts.
Beate Hajdú arbeitet mit Präzision, die Werke gehen zurück zum konkreten Material. Textil dient als Phänomen des inhaltlichen Ausdrucks und führt uns weiter, in die Malerei.
László Hajdú ist ein anerkannter Künstler, seine Arbeiten kann man nicht nur als malerische Kunstwerke, sondern auch als eine eigene Widerspiegelung der Wahrnehmung auffassen, als Objekte der Meditation und Auslegung der Werte.
László Heitler hat viel zu erzählen – sein Narratives aber wird in der Form eines künstlerisch übertragenen Sinnes dargestellt und gibt dem Begriff „Abstraktion” eine neue Bedeutung.
András Huber erweckt Interesse mit seinen Werken. Man kann nicht bloß so vorbeigehen, sondern fühlt sich sofort bereit, über seine Meinung zu diskutieren. Frechheit und bewußte künstlerische Komposition bilden hier eine harmonische Einheit, was als ein eigener Stil zu bewerten ist.
György Jovián verkörpert die malerische Abstraktion. Nicht einer Stilrichtung, sondern der emotionalen Annäherung bleibt er treu.
Manfred Karsch charakterisiert die Geometrie. Seine künstlerische Freiheit und sensible, malerische Darstellung geben dieser konkreten Stilrichtung eine neue, charakteristische Bedeutung.
Robert König gibt dem Zeichen ganz neue Perspektiven. Traditionen lassen den Künstler auf den Weg der Gegenwart treten und verleihen der Gattung eine aktuelle Bedeutung.
Elisabeth Lieber gehört zu den postmodern-avantgardistischen Künstlern, sie experimentiert, läßt ihr Werk von sich selbst weiterentwickeln und ist der individuellen Wahrnehmung gegenüber ausgesprochen offen.
Anton Lux ist vielleicht in der Künstlergesellschaft der bekannteste in Deutschland. Er spielt eine aktive Rolle im Kunstleben, und seine Arbeiten können alle als Vorbild des Modernen erwähnt werden.
Ákos Matzon, der Leiter dieser Künstlergruppe, ist einer der anerkanntesten Vertreter der konstruktiv-konkreten Geometrie. Punkt, Linie, Ebene und Raum werden als eine originale Erscheinung wiedererklärt.
Adam Misch kann leider nicht mehr mit uns feiern, sein Werk aber gibt ein Beispiel für immer.
Volker Schwarz hatte gerade mit viel Erfolg eine repräsentative Ausstellung in Haus der Ungarndeutschen in Budapest. Die Umformulierung des konkreten Raums, wie die Landschaft zum malerischen Symbol auftaucht, die Phasen der Metamorphose geben dem Betrachter auch eine intellektuelle Aufgabe.
Géza Szily spielt mit den Perspektiven und gibt durch seine Farbenwelt den Erscheinungen eine ganz neue Bedeutung. Das Schweben zwischen momentaner Wahrnehmung und ewigem Erlebnis macht seine Werke geheimnisvoll und unvergeßlich.
János Wagner, nach Adam Misch der zweite Vorsitzende der Künstlergruppe, ist mit seinen sehr sensiblen Werken sehr anerkannt. Repetitionen, Variationen und das Unendliche erfüllen die abstrakte Darstellung mit Wärme der Emotion und Weisheit des Nachdenkens.
Und zuletzt zur Vogelscheuche von Franz Trischler draußen vor der Tür. Sie gibt einen Wink, ruft Kunstfreunde herein und sagt auf Wiedersehen. Da das Objekt aus Bronze gemacht ist, hat es Geduld für unser Gezwitscher – also los, fangen wir an, uns lustig zu unterhalten.
Foto: I.F.