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Quellen und Formen einer Sicherheit

Als Band 5 der Reihe Kunst der VUdAK-Bücher erscheint das Album des in Nadasch/Mecseknádasd lebenden und arbeitenden Malers und Bildhauers Antal Dechandt mit Beiträgen von Eugen Christ, Tamás Aknai und Ferenc Lantos sowie zahlreichen Abbildungen seiner Werke. Vorgesehen ist eine Ausstellung mit den Holzstatuen von Dechandt im Mai 2006 im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart. Wir veröffentlichen den Beitrag von Tamás Aknai aus dem Album.

Die Landschaft, die ihn umgibt, ist sehr stark. Stark in ihrer Geomorphologie und stark in ihrer Flora. Die Politik hat in ihren bis heute wirkungsvollen Monumenten und mit starken Linien den hiesigen Einwohnern einen bestimmten Charakter gegeben. Es magetwas besonders Wichtiges darin liegen, daß in einer eine zweifache Bestimmtheit der Traditionen erlebenden Gemeinde ein junger Mann, der mit jedem seiner Körperteile auf diesem Ort und seinen Traditionen beharrt, die Sprache der „neuen Kunst” benutzt, zugleich aber auch die Empfindlichkeit eines doch noch der Natur direkt begegnenden Menschen mobilisiert. Wie Sprachen von einer zweifachen Bestimmtheit: erstens, weil die Rahmenbedingungen der dörflichen Lebensweise noch nicht so sehr aufgetaut sind, daß in ihr die Fragekomplexe der „modernen Kunst” und die damit zusammenhängende förmliche „Frechheit” vollständig annehmbar wären, zweitens weil die nationale minderheitenmäßige Lebensweise eine natürliche Zurückhaltung gegenüber jeden Assimilationsbestrebungen, die die nationalen Charaktermerkmale nebensächlich machen könnten, hervorgerufen hat. So steht das „Übernationale” der „Modernen” scheinbar im Gegensatz zu der Anerkennung der kulturellen Autonomie der Minderheit. Zumindestens in dem Sinne, wie sich das viele mit einem historisierenden-folklorisierenden Beigeschmack bis heute vorstellen. Antal Dechandt hat also zwei große Aufgaben: die Chancen der Weiterexistenz zu zeigen (indem man die ortsgebundenen seelischen und gegenständlichen Inspirationen verwendet), und daraus die Möglichkeit einer Bindung an die allgemeineren Aussagen der modernen Kunst in der Hoffnung auf das höhere Verständnis von Natur-Mensch-Kultur abzuleiten.

Um 1982 bot sich die Natur, die Landschaft als Ausgangspunkt für Dechandt an. Diese Zeit wird durch zahlreiche Tuschzeichnungen und mit Farbstift angefertigte Studien dokumentiert, für die am meisten charakteristisch ist, daß ihre Analyse vom noch merkbaren weichsten Ton bis zum äußersten gesteigerten Fleck geht. Weiche Flecken, harte Arabesken wechseln sich ab auf diesen Arbeiten, neben ihrem improvisativen Charakter weisen sie eindeutig alle auf das fast gleiche Medium hin, aus dem 1949/50 Jenô Gadányi seine Tuschzeichnungen selbst stammen ließ. Ab 1983 begann die Überarbeitung der Ergebnisse der Naturstudien. Die Fakturen der Pilze und der mit Moos überzogenen Baumstämme sind erkennbar. Eine Skala bei der Bestimmung der Maße, ein Raster bei der Formensetzung, eine klare Ordnung der Stufen eines eigenartig visuellen Tonalitätsprinzips weisen auf die Existenz der Methoden hin, die sich aus einer künstlerischen Scharfsicht ableiten lassen. Er ist vom System nicht gefangengenommen worden, er blieb aber diszipliniert genug, um auch noch sentimental auftauchende Fragen mit einer ins Detail gehenden Genauigkeit zu analysieren und um eine in der Plastik oder Faktur steckende weitere Möglichkeit zu entwickeln und auch ihre Teilbeziehungen umsichtig zu untersuchen.

Er fand charakteristische Farbenkonstellationen zur Ausarbeitung seiner Probleme. Fast ausschließlich wird die sich von Jahreszeit zu Jahreszeit verändernde Farbenpracht des Waldes und der Wiese von ihm in seine Arbeiten eingebaut, die Schattierungen der Pilze, der Baumstämme, das grelle Grün des Frühlingsgrases und die Farbe der trockenen Herbstblätter. Dies sind alles Mischfarben, in ihren Nuancen sind die Grundfarben sehr selten zu entdecken, sehr oft ist aber eine ziemlich wilde Paarung von Farben (z. B. rot-grün, grün-blau, usw.) zu sehen. Die Formen, die die Bildflächen erobern, sind verschnörkelt wie die Ranken der Wildtrauben, mit Spitzen besetzt, dicht aneinander geschichtet. Die Windung der Schneckenhäuser, die bogenförmige Stromlinienform der Muschelschalen ist genauso ein Strukturelement auf seinen Bildern wie ein von Menschen geschaffener und von Menschen verlassener Gegenstand, der unaufhaltsam wieder zur Natur wird. Der 1986er Zyklus der Kunstwerke „Chaotisches Weltbild”, „Schweben”, „Auflösung” und der 1981er Zyklus mit dem Titel „Unterwassergefühl” führen zur neuen Formauffassung, in der es scheinbar keinen Platz für abstrakte Harmonieformeln gibt. Die 1986/87 angefertigten hölzernen und farbigen Terrakottaplastiken lassen die auf großen Kohlezeichnungen und Gemälden vorbereiteten organischen Formbeziehungen gleichsam im Raum erscheinen. Es gibt auf diesen Skulpturen keinen rationell erklärbaren Bogen, keine Schale, Faktur oder Flächenfarbe. Sie sind Treffpunkte zerfallender oder zufällig aufeinanderfallender Formen, einer scheinbaren Unordnung. Aber geradezu darin kann man ihre Bedeutung erfassen.

Ob es uns gefällt oder nicht, der mit der Natur zusammenwirkende Mensch „entdeckt” bestimmte Mittelpunkte, um die er die unterschiedliche Vielfalt der organischen Qualitäten sich anhäufen sieht. Die auf einen Mittelpunkt ausgerichtete geometrische Punktmäßigkeit der Plastiken verschwindet sozusagen vollständig im Aufeinanderstürmen der die Ordnung immer anders verkörpernden Stoffteile, mit dem Ziel zu behaupten, es gäbe keine Ordnung und es gäbe auch kein Gesetz. Wäre die Aufgabe des schaffenden Künstlers „nur” die Simulation dieses chaotischen und zusammenhanglosen Aufeinanderstürmens? Indem die für das erkennende Auge sichtbar werdende Bewegung ein Beweis der nur sehr schwer zu vernichtenden Energie des Lebens sein soll, ganz bestimmt. Die willkürliche ästhetische Wertemanipulation spielt bei der Ausgestaltung eines solchen plastischen Gebildes eventuell gar keine Rolle. Sie ist ja auch nicht nötig. Dechandts Bestrebung ist sichtlich, die auch für die gesellschaftlichen Funktionen der Visualität zu beglaubigenden „Ausdrücke” in einem nicht besonders auffallenden Medium zu finden – ohne Rücksicht auf die modisch gewordenen Phraseologien des „Einbaus”. Diese seiner Arbeiten sind Allegorien, die Allegorien des vielleicht ohne Menschen auch funktionsfähigen ewigen Lebens.
Auch im Hintergrund seiner besten Arbeiten stehen Naturstudien. Fotografien von Gras, Zweigen, Ästen, Steinen und Gewässern. Diese „Abdrücke” bringt er mit den künstlerischen Verfremdungseffekten, Vergrößerungen, Lichtkopien (alle mechanische Methoden) auf eine da bereits geheimnisvollen Ebene der dominanten Form und der Tonvariante. Aufgrund der Lichtkopien sind zahlreiche große schwarz-weiße Ölgemälde angefertigt worden. Auf diesen Arbeiten erwecken die abstrakten Felder von Schwarz und Weiß und flammigen Auswirkungen der im Kopierer hergestellten Torsionen die Vorstellung von der provisorischen Irregulierbarkeit, die eher eine Inspiration in Richtung Wandel ahnen lassen, als die nach den Prinzipien der Reduktion orientierte Vereinfachung und Chancenausschließung. Nach den schwarzen Bildern sind Dechandts Leinwände farbig geworden, und ihre thematischen Ausgangspunkte sind bis heute irgendwelche in der Natur bestimmenden Formsituationen. Um dies spüren zu lassen, nimmt der Künstler auch Möglichkeiten der „Neuen Malerei” in Anspruch. Er malt also fieberhaft, mit einem dicken Pinsel, im Interesse des Spurenhinterlassens erlaubt er sich jeden Eingriff. Und ein dekoratives, melodisches Geflecht entsteht durch die Arbeit seinerHände, das die Frische des Naturerlebnisses genauso in sich trägt wie auch die Sehnsucht nach Schaffung einer selbständigen künstlerischen Sprache.

Ende der achtziger Jahre schuf er die aus gefundenen Baumstümpfen, Ästen komponierten Skulpturen, die noch immer ihre aus der Natur stammende Regellosigkeit wahren, sie wirken aber – nachdem ihre „Wilde” verschwand – gleichsam als zweideutige Erscheinungen, da ihre Oberfläche mit spannenden künstlerischen Eingriffen umgestaltet wurde. Die eine ihrer Bedeutungen liegt in der Unmittelbarkeit des Naturbildes, die andere aber in der Verfremdung der ursprünglichen Formqualitäten der Natur, in der Umgestaltung in eine geradezu neue Qualität. Es sind keine Äste, Baumstämme, Baumstümpfe mehr, aber auch noch keine Lebewesen. Eine Unsicherheit charakterisiert diese Werke in Hinblick auf ihre Formung und auch ihre durch die Form entstandene Bedeutung. Ihr Schöpfer scheint ihrem Ursprung eine Art religiöse Ergebenheit entgegenzubringen, daher findet er seinen Interventionsanspruch gesellschaftlichen Ausgangs auch nicht höherrangig als die Darstellung der naturhaften Ausgangssituation. Er zeigt nur an, daß er einen solchen Anspruch besitzt. Aber auch diesen Anspruch versucht er von Zeit zu Zeit in einem seiner Werke auf ein Minimum zu senken, diese Skulpturen sind 1991 zu einem ausgeprägten Zyklus geworden. Die „Laute” von Holzblöcken menschlicher Größenordnung färbt er mit den weitaus differenzierteren „Worten”. Zu seinen künstlerischen Eingriffen benutzt er das vom Holzblock verlangte Instrument, die Axt. Die Poesie des Schaffens erscheint so in der Praxis des Holzfällens. Bruch, Schnitte mit Holzsäge ergeben den Inhalt des Stilisierens, und sie sind von naturhaften Destruktionen „ausgeliehene” plastische Situationen, die aus ihren natürlichen Zuständen Dechandt nicht so sehr hervorzuheben bestrebt ist, daß dieser Rückhinweis irgendeine Art Bildzerstörung mit sich bringt. Das die unaufhaltsame Machtübernahme der Natur über die immer mehr abgenutzten Gegenstände und die Seele dokumentierende Meisterwerk von Erzsébet Schaár, die „Straße”, könnte Dechandt vielleicht nahegestanden haben, als er seine frischesten Arbeiten nekrologischen Charakters angefertigt hatte.

Tamás Aknai