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„Perlen“

(Nicht ganz unpersönliche) Gedanken einer (nicht nur) Lehrerin zum Kindheitsmotiv in den frühen Gedichten von Valeria Koch (Surgetin, 22. April 1949 – Budapest, 28. Feber 1998)

Warum eben „Perlen“ als Ausgang – und im Mittelpunkt?
Wer traf hier die Wahl? Die Lehrerin für Deutsche Literatur an ungarndeutschen Gymnasien? Die Freundin, die seit den Gymnasialjahren den Lebensweg der Dichterin in tiefster Verbundenheit verfolgte? Eine Deutsche aus Ungarn, die zehn Kilometer von Surgetin entfernt aufgewachsen ist und weiß, was „Dunkelstund“ bei uns hieß?
Das Thema sollte nun in einer Schulstunde allmählich entblättert werden, den Schülern die versunkene Welt unser aller Kindheit, wie sie Valeria Koch in den Bildern von „Perlen“ festhielt, ans Licht gebracht werden. Welche Mittel und Wege können uns auf dem gemeinsamen Weg der Entdeckung helfen? Kaum zu glauben, aber oft reichten nur schwer die 45 Minuten für die acht Zeilen des Gedichtes, um genauer zu sein, die Erfassung der Höhen und Tiefen ihres dichterischen Universums, das sich bereits in diesem frühen Werk offenbart.
Wie können Jugendliche von heute dazu motiviert werden? Eine kurze Einführung zum Lebenslauf, erstellt von einer Gruppe in PP-Form, kann wohl dienlich sein. Da wird bereits anklingen und gezeigt, wie die Familie damals in Surgetin lebte, die (scheinbare) Idylle, getrübt vom zwiespältigen Dorfmilieu, erst zehn Jahre nach dem Trauma der Vertreibung.
Nun folgt der Text selbst, am besten haben ihn die Schüler mit großen Lettern geschrieben die ganze Zeit vor sich an der Tafel. Für Worte-Begriffe, Bilder, Zeilen lassen sich Gruppen bilden, die das sprachliche-poetische Umfeld ihrer Wahl gemeinsam entziffern. Auf einem A-3-Blatt reihen sich dann die Worterklärungen, sinnverwandte Wörter, bildhafte Verbindungen, eventuell auch Zeichnungen, Fotos aus Nachschlagewerken, Zeitschriften, und vor allem aus Wörterbüchern, mit bunten Filzstiften festgehalten, aufgeklebt, aneinander gereiht.
Bei konkreten Aufgaben zu diesem Gedicht ergab sich zuerst der Titel: Was fällt einem spontan ein beim Wort „Perle“, welche Adjektive, Verben zu Tätigkeiten, die natürlichen Vorgänge, wie Perlen entstehen. Da rücken Chemie, Biologie und Erdkunde ins Feld, genüsslich werden die geheimnisvollen Vorgänge in der Tiefe des Meeres dargestellt, die Gefahr, der sich Perlenfischer beim Tauchgang stellen und wie teuer deshalb echte Perlen sind. Wenn man dann vom Konkreten abrückt, lässt sich das Wertvolle, Einzigartige, Kostbare an Menschen, am Charakter, an Momenten aufdecken –, das eher erst in der zweiten Phase der Stunde, im Plenum.
Je ein Paar (oder Gruppe) kann sich mit den Metaphern „der Kindheit Sparherdwärme“ und „der Abend kugelrund“ befassen. Dabei kann die Stube der Oma – siehe auch Volkskunde – heraufbeschworen werden, das unmittelbare Erleben von Wärme und Licht, letzteres gespendet vom Feuer, wenn ein Ring von der Herdplatte mit einem eisernen Haken auf die Seite geschoben wurde.
Warum diese ausführliche Darstellung eines einfachen Vorgangs? Kein Zufall, es hängt mit dem scheinbar einfachen Begriff „Dunkelstund“ zusammen. Wieso ist da was zu erklären, meinten die Schüler, es liegt auf der Hand: Abendstunden. Auf meine Frage, was dann das Attribut „weich“ da zu suchen hat, vernahm ich gern die anerkennenden Bemerkungen von der Wirkung der Verbindung verschiedener Wahrnehmungsbereiche (Fühlen und Sehen), weiter nichts. Dass man in Winterzeiten aus Sparsamkeit kein Licht gemacht hat bei Einbruch der Dunkelheit, sondern einfach um den Herd herum saß, beim Licht des Feuers (s. oben) erzählte oder eben was Schönes sang –, wie die Mutter im Gedicht. Das Aufblinken der Sterne führt zum nächsten Bild über und steigert die Abendstimmung.
Eine harte Nuss war meist die Metapher vom kugelrunden Abend. Ein Hinweis des Lehrers auf die Verbindung zum Titel und darauf, dass diese Zeile wie eine Konklusion der drei ersten betrachtet werden kann, ließ der Phantasie dann freien Lauf. Vergleich von Kugel und Kubus, direkt in die Hand gegeben, rundeten den Gedankenprozess ab.
Die kleine Szene, die Aufhebung der Dunkelstunde, das Ende des Gesangs durch Vaters Kommen, kann in einer kleinen Szene oder eben im kurzen Heraufbeschwören eigener Kindheitserinnerungen dargestellt werden. Im Plenum kann man dann entdecken lassen, wie Wärme und Feuer des Sparherdes beim Gesang der Mutter – im Gegensatz zu den rot verglommenen Liedern im kühlen Mund, auf einen Faden gereiht, den Aufbau des Werkes vervollkommnen und zum poetischen Abschluss führen.
Zum Abschluss kehrt das Titelwort in Verbform wieder und damit der Hinweis auf die Tiefe des Meeresgrundes, parallel zur menschlichen Seele, in der die kostbaren Erinnerungen an die Kindheit zwar tief verborgen liegen, doch in Worten und Bildern jederzeit hervorgerufen werden können –, am schönsten, wie es uns Valeria Koch in „Perlen“ überreicht.

Maria Wolfart-Stang
Deutschlehrerin i. R.

NZ 9/2013