MUND-ART Mundartdichtung in Schopfheim
„Herkommen – Hingehen, Mundartdichtung zwischen Nostalgie und Zukunft“ war das Motto der 24. Literaturwerkstatt in Schopfheim im alemannischen Dreiländereck, die in diesem Jahr mit internationaler Besetzung stattfand. Das in Kooperation der Kulturämter in Schopfheim und Weil am Rhein sowie dem Autor Markus Manfred Jung organisierte Autorentreffen wartete neben der Werkstatt mit zwei öffentlichen Lesungen auf. Die Mund-Art-Literatur-Werkstatt in Schopfheim geht auf eine lange Tradition zurück, nächstes Jahr soll das Silberjubiläum groß gefeiert werden. Moselfränkisch – Alfred Gulden, baseldütsch – Markus Heiniger, fränkisch-hohenlohisch – Manfred Kern, elsässisch – Jean-Christoph Meyer, alemannisch – Markus Manfred Jung und ungarndeutsch – Angela Korb waren die Dialekte, die durch die anspruchsvollen Texte der sechs Mundartliteraten vorgestellt wurden.
Großes Interesse – positive Rückmeldungen
In drei Schulen der Region wurden im Vorfeld schon einige Autoren im Rahmen von Lesungen im Unterricht vorgestellt. Der Auftakt des Mundarttreffens war die Lesung am 16. März im Stapflehus in Weil am Rhein. Als Kulisse diente die aktuelle Ausstellung der Malerin Karin Schaub. Durch die treffende, gut vorbereitete und recherchierte Moderation von Volker Habermaier wurde den Autoren „der rote Teppich gelegt“. Abwechslungsreich war die Lesung neben den unterschiedlichen Dialekten auch durch die Textsorten und -gattungen der einzelnen Autoren. Musikalisch gestaltete den Abend der bekannte Basler Liedermacher Markus Heiniger.
Am nächsten Tag bekam jeder Teilnehmer die Gelegenheit, die mitgebrachten Werkstatt-Texte vorzustellen und zu besprechen: die Stadtbibliothek von Schopfheim bot hierfür einen geeigneten Schauplatz. Die Gespräche waren sehr aufschlußreich und inspirierend: wachsende Heimatlosigkeit, erotisierte Sprache, literarischer Lebenslauf oder eben Humor im Text waren einige thematische Einheiten, die besprochen wurden. Aber auch über Handwerkliches und Vorschläge zu der Frage „Wie schreib ich Mundart?“ wurden ausgetauscht. Bei der zweiten Lesung am 17. März in der evangelischen Kirche St. Agathe in Schopfheim-Fahrnau wurde schon spürbar, daß die Teilnehmer in einer organischen Einheit als gut funktionierende Gruppe auftreten. Das zahlreich erschienene Publikum (über 100 Personen) in der ehrwürdigen Kirchenhalle – für ungarische Verhältnisse bei Lesungen eher unüblich – konnte nach dem zweieinhalbstündigen Programm beim anschließenden Abendessen noch mit den Autoren ins Gespräch kommen.
Schopfheim als Aushängeschild
Feedback, Austausch über die Erfahrungen der Lesungen, Anregungen konnten noch am dritten Tag des Treffens besprochen werden. Ruthard Hirschner, Beigeordneter der Stadt Schopfheim, lud die Teilnehmer des Treffens zu einem Empfang ins Schopfheimer Rathaus ein. Der stellvertretende Bürgermeister zeichnete ein ausführliches Bild über die Stadt Schopfheim und überreichte als Geschenk einen Band von dem 1760 in Basel geborenen bekannten Autor Johann Peter Hebel, der die Schule in Schopfheim besuchte. Die intensiven vier Tage haben für die Mundartliteraten einschneidende Erlebnisse gebracht, die vielen Anregungen, die tolle, fließende Organisation, die anregende Moderation sowie die erlebnisreiche Werkstatt werden noch lange Spuren hinterlassen. Mit einer beispielhaften Förderung trägt das Hotel „Hohe Flum“ in Schopfheim zur Literaturwerkstatt bei, da es seit 24 Jahren die Autoren kostenlos beherbergt.
A. K.
NZ 12/2012
Autoren der Schopfheimer Literatur-Werkstatt:
Alfred Gulden: 1944 in Saarlouis geboren, lebt heute wechselweise im Saarland und in München. Erregende Sprachexperimente zeichnen sein Werk. In seiner Person vereinigen sich zwei Autoren: einer, der auszog nach München, New York, Bordeaux oder auf die Seychellen und sich als Theaterrevolutionär, Erzähler oder Filmemacher ästhetisch verwirklichte, und ein anderer, der den heimatlichen Winkel als Chance zur literarischen Kreativität begriff. Dutzende einfühlsame Fernsehfilme mit saarländisch-lothringischen Themen zeugen davon. Sein innovativer Beitrag zur Saarliteratur besteht im poetischen Rückgriff auf den Saarlouis-Rodener, d. h. moselfränkischen Dialekt.
Markus Heiniger: 1968 in Basel geboren, hat er Berndeutsch mit der Muttermilch und Baseldeutsch im Sandkasten erworben. Seine dritte Sprache ist Hochdeutsch. Er stammt aus einer Musikerfamilie. Heute ist er ein gesuchter Klavierbegleiter, tritt aber selber mit Songs und Texten in Dialekt und Hochsprache auf.
Manfred Kern: 1956 in Rothenburg ob der Tauer geboren, schreibt Lyrik und Prosa in Hochdeutsch und fränkisch-hohenloher Mundart. Nach einer Ausbildung zum Buchhändler in Würzburg lebt er seit 1985 als freier Schriftsteller in Coburg. Mit zahlreichen Veröffentlichungen hat er sich weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
Jean-Christoph Meyer: Geboren 1978, ist in Unterelsaß aufgewachsen, am Fuße des Winzerbergs, wo seine Vorfahren bis in das 15. Jahrhundert den Winzerberuf ausübten. Er arbeitet als Journalist bei der Tageszeitung L´Alsace – die auch eine deutsche Beilage enthält – und wohnt in Saint-Louis. 2008 hat er die Gedichte seines Großvaters Paul-Georges Koch als zweisprachige Anthologie herausgebracht. Er schreibt in Französisch und Dialekt und ist ein engagierter Verfechter von „Elsässisch für di Junge“.
Markus Manfred Jung: Studiendirektor am Gymnasium Schopfheim, begründete zusammen mit dem 2000 verstorbenen Dichter Thomas Burth die Schopfheimer Mund-Art-Literatur-Werkstatt und leitet sie. Vor allem mit seiner Lyrik ist er über die Grenzen des alemannischen Raums hinaus bekannt.
Volker Habermaier: Moderator und Leiter der Literaturwerkstatt, war nun schon zum achten Mal Studiendirektor am Theodor-Heuss-Gymnasium. Der aus dem Schwabenland stammende Germanist und Historiker publiziert wissenschaftliche Aufsätze. Zudem ist er Schulbuchautor und Verfasser fachdidaktischer Arbeiten, auch zur Mundartliteratur.