Malerische Städte und Landschaften
Der freischaffende Künstler Jakab Forster (Jahrgang 1946) beschäftigt sich in den letzten Jahren – sowohl in Ungarn als auch über die Grenzen hinaus – ausschließlich mit den urbanen oder ländlichen Veduten. Seine „frische Ernte” – diesmal nur aus den heimatlichen Inspirationen ausgewählt – stellt er nun bis zum 16. März in der unlängst eröffneten Galerie Melange aus.
Der Maler arbeitet immer in der Natur und beendet seine – relativ kleinformatigen – unmittelbaren „Bestandsaufnahmen” sofort an Ort und Stelle. Sein „Freilichtatelier” ist ständig geöffnet, unbeeinflußt von den launisch wechselnden Wetterbedingungen und von den immer wiederkehrenden Jahreszeiten. Er benutzt die sogenannte „Mischtechnik”, um die momentan herrschende Atmosphäre möglichst genau wiedergeben zu können. Das bedeutet, daß er mit dem Pinsel außer Aquarell und Akryl auch Tempera oder Gouachefarben auf Karton kombiniert und danach auch mit farbigen oder schwarzen Kreidelinien konturiert, schließlich teilweise mit Deckweiß komplettiert. Neuerdings läßt er immer mehr freie weiße Papierflächen – besonders am Rande des Hauptmotivs – ins Spiel kommen, und das verleiht der ganzen Komposition eine Frische und die Leichtigkeit der Spontaneität. Während die Momentaufnahmen aus der Natur fast immer menschenleer sind und uns über den intimen und unmittelbaren Dialog zwischen dem Künstler und dem Panorama erzählen, sind die Stadtteile neuerdings immer mehr mit kleinen, kunterbunten Figuren bevölkert, um die ständige Hektik der urbanen Umgebung zu akzentuieren.
Man kann – um sich hier nur auf das vorige Jahr zu beschränken – einige bekannte Ecken der ungarischen Hauptstadt entdecken. So z. B. die Ofner Burg in bunter, herbstlicher Laubpracht, des weiteren vom Pester Donauufer gesehen oder aus unmittelbaren Nähe die ganze Umgebung des Palastes mit frisch gefallenem Schnee bedeckt ebenso wie den patinierten Dreifaltigkeitsplatz, trotz Winter voll mit Touristengruppen. Dazu kommen die „Konkurrenten” vom Lande: die engen, mittelalterlichen Straßen in Ödenburg mit gotischen Häusern und Denkmälern, dann die von der Sonne am meisten verwöhnten Stadt Ungarns, Szegedin, mit ihrer architektonischen Eklektik, mit dem neobarocken Theatergebäude im Zentrum, und nicht zuletzt die aktuelle Kulturhauptstadt Europas, Fünfkirchen, mit ihrem mediterranen Flair. Die Kodály-Kapelle auf Galyatetô ist zwar erst in der Zwischenkriegszeit aus hiesigem Gestein errichtet worden, mit ihrer Rustikalität strahlt sie trotzdem eine mittelalterliche Atmosphäre aus, Anfang der 1940-er Jahre hatte hier der berühmte Meister seine Missa Brevis komponiert. Nach zeitgenössischen Erinnerungen soll er einmal zu seinen Freunden gesagt haben: „Hier beten selbst die Berge!” Vielleicht hat deshalb der Maler diese Kapelle an einem dunklen Wintertag nur „Grau in Grau” verewigt, um die Mystik des Ortes zu betonen.
Doch es fehlt auch nicht an Naturdetails aus dem ganzen Land. Ein nostalgischer Abschied von der Badesaison am Plattensee im August des Jahres 2009 in Balatonföldvár z. B.: im Vordergrund mit den riesigen Kronen der alten Bäume und im Hintergrund mit den winzigen Segelschiffen in der Ferne. Danach folgt echte Winterstimmung in dem vom Künstler sehr geliebten, deshalb so oft gemalten Mátragebirge, wie z. B. verschneite Dorfränder und Hügelseiten mit Schlittenfahrenden, menschenleere Waldlichtungen und Fußpfade, eisbedeckte Bäche und Baumgruppen. Dem Betrachter fällt auf: Forster kokettiert neuerdings gerne mit dem Nebel, der manche Teile der Komposition relativ dicht bedeckt und damit nicht nur eine gewisse „graue Symphonie” produziert, sondern auch eine gegenseitige Harmonie zwischen Transparenz und Undurchsichtigkeit herstellt. Kommt im Schaffen des ungarndeutschen Malers in der näheren Zukunft vielleicht eine monochrome Periode?
Geöffnet bis zum 16. März, Galerie Melange (Budapest V., Markó u. 3)
István Wagner
NZ 9/2010