Literaturen in Wendezeiten
Im Jahre 2015 feierte somit die Zeitschrift das 10. Jubiläum ihrer Erneuerung, wobei die ursprüngliche Zielsetzung zur Erforschung von Geschichte, Literatur und Kultur der Deutschen in Südosteuropa weiter verfolgt wird. Als Themenschwerpunkt der vorliegenden Ausgabe* wurden die Literaturen in Wendezeiten festgelegt, sieben Beiträge setzen sich mit Facetten des Literaturlebens der betroffenen Regionen auseinander.
Hervorzuheben ist der Beitrag von Erika Erlinghagen über die „jüngste Generation“ der ungarndeutschen Literatur, über die nach 1970 geborenen AutorInnen, in deren Werken die Erlebnis- und Gedankenlyrik im Vordergrund steht. Anhand der – bereits bei der vorigen Autorengeneration erschienenen – Frage der literarischen Zweisprachigkeit wird bei der jüngsten Generation das Problem des zu erreichenden Lesepublikums bzw. die Auseinandersetzung mit den Erwartungen gegenüber der ungarndeutschen Literatur thematisiert. Die Fragestellung der Autorin Andrea Czövek – „Welche ist wichtiger, eine Schriftstellerin, die ungarndeutsche Gedichte und Kurzgeschichten schreibt, oder die ungarndeutsche Schriftstellerin, die einfach nur Gedichte und Kurzgeschichten schreibt“ – könnte dabei als Ausgangspunkt hinsichtlich einer Debatte über das Potential der ungarndeutschen Literatur dienen. Insofern gilt es, für die „jüngste Generation“ der AutorInnen einen Weg zur Bewahrung ihrer Identität sowie zur Anknüpfung an die Vorfahren zu finden bzw. ihre eigene Sprach- und Motivwelten zu schaffen.
Unter den zahlreichen Rezensionen soll die Buchbesprechung von Beáta Márkus über den von Gábor Gonda und Norbert Spannenberger herausgegebenen Band mit dem Titel „Minderheitenpolitik im ‚unsichtbaren Entscheidungszentrum‘. Der ‚Nachlass László Fritz‘ und die Deutschen in Ungarn 1934 – 1945“ erwähnt werden. Im Werk werden die deutschfeindlichen Züge der ungarischen Nationalitätenpolitik in der Zwischenkriegszeit unter die Lupe genommen, welche schließlich zur Vertreibung geführt haben. Die Rezension von Márta Müller über das als 22. Band der Beiträge zur Sprachinselforschung erschienene Buch von Éva Márkus – Die deutsche Mundart von Deutschpilsen/Nagybörzsöny – hat ebenfalls einen ungarndeutschen Bezug und macht den Leser auf die Relevanz der Sprachinselforschung aufmerksam.
Das mit der Schauspielerin und seit 2004 Intendantin der Deutschen Bühne Ungarn Ildikó Frank geführte Interview erörtert die Probleme des deutschsprachigen Theaters in Seksard und gewährt einem auch einen Einblick in die Spielzeit der Bühne. Die Intendantin spricht im Interview über die Pläne für die Zukunft sowie über die schauspielerischen Möglichkeiten in deutscher Sprache als Beitrag zur Spracherhaltung.
Karl B. Szabó
*Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas. Heft 2/2015 Verlag Friedrich Pustet, IKGS, 2016, S. 302
NZ 27/2016