Gemeinschaftsausstellung der Sektion für bildende Kunst des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler
Im beeindruckenden Ausstellungsraum der Klebelsberg-Kulturkurie in Hidigut (II. Bezirk Budapests) konnten die Mitglieder der VUdAK-Sektion für bildende Kunst auf Initiative des Sektionsvorsitzenden, Munkácsy-Preisträgers Ákos Matzon vom 3. Juni bis zum 4. Juli ihre Werke präsentieren. Bei der Vernissage führte Kunstkritiker Gábor Pataki in die Ausstellung ein. Seine Ausführungen veröffentlichen wir.
„Mein Ungarndeutschtum ist / eine zerbrochene Steinaxt der Urzeit / auf welche ich am Dorfrand / nach einem großen Regen im Wasserlauf stieß“ – beginnt über die Anfänge das in freien Versen geschriebene Gedicht von Josef Michaelis (veröffentlicht in Signale 2/2011). So könnten wir auch bei Walther, dem der „Symphonie der Ungarn“ lauschenden Gefährten des heiligen Gerhards, beginnen, um die Geschichte der deutsch-ungarischen kulturellen Verbindungen, die im Laufe der Jahrhunderte unentwirrbar miteinander verflochten sind, nachzeichnen zu können. Aber machen wir eher einen Sprung in das Jahr 1992, als die Künstlersektion des VUdAK mit Hilfe der beständigen organisatorischen Arbeit von Adam Misch geformt und gegründet wurde. Nur eine Organisation von den zur damaligen Zeit gegründeten mehreren dutzenden Gesellschaften, jedoch die einzige, die in Ungarn lebende deutsche, aus Deutschland kommende und in Ungarn eine Heimat gefundene oder Schaffende mit deutschen Wurzeln, Traditionen und Ahnen, also zusammenfassend Künstler mit (auch) einer deutschen Identität, zusammenschloss.
Welche Rolle und Bedeutung könnten einer solchen Gesellschaft, die vorrangig über keine gemeinsamen und verbindlichen künstlerisch-stilistischen Anschauungen sowie Bestrebungen verfügt, über die Pflege der gegenseitigen kulturellen Verbindungen hinaus zukommen? Natürlich ist die Verstärkung der historisch-ethnischen Traditionen und der kulturellen Identität – in diesem Fallbeispiel des Deutschtums in Ungarn – eine wichtige Aufgabe, aber für die ausstellenden bildenden Künstler dieser Gesellschaft, also für die Mitglieder des Verbandes, ist möglicherweise das Empfinden der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft, das Entstehen einer Gilde-Genossenschaft von Gleichgesinnten im positiven Sinne, ebenfalls wichtig. Meiner Meinung nach kann die den Zusammenhalt stärkende, das Herz berührende, die Gefühlswellen auslösende, das Gefühl von Einsamkeit, Fremdheit und Zeitweiligkeit lindernde Wirkung der gemeinsamen Wurzeln auch dann als wichtig erscheinen, wenn Künstler mit ansonsten unterschiedlichen Motivationen, divergierenden Persönlichkeiten oder eben mit voneinander abweichenden Interessen ihre Werke, Arbeiten nebeneinander ausstellen.
Denn eigentlich wäre es absurd, nach jedweden stilistischen, auf Motiven basierenden, mehrfach multiplen Gedanken in den hier ausgestellten Werken zu suchen. Und das Fehlen eines solchen gedanklichen Leitmotivs ist nicht nur in der unterschiedlichen regionalen Tradition durch die Abstammung der Ahnen der Künstler, unter denen sich Ungarndeutsche, Siebenbürger Sachsen, Sachsen aus Deutschland, Zipser Sachsen und auch Heanzen befinden, begründet. Die Arbeiten der Künstler dieser Gruppe widerspiegeln gleichwohl – und natürlich auch vereinfachend formuliert und erfasst – einen Querschnitt der ungarischen (und auch der deutschen sowie der europäischen) Kunst. Es gibt unter diesen figurativen und abstrakten, lyrischen und konstruktiven, geometrischen Arbeiten und solchen expressivistischen Charakters einige mit impressionistischer Stimmung und welche mit surrealen Elementen – und natürlich haben wir durch diese Aufzählung, durch die Adjektivanhäufung bislang über diese noch gar nichts gesagt.
Geschickt könnte man natürlich Untergruppen benennen. So kann man im Falle der drei Schorokscharer Gründerkünstler (Adam Misch, Antal Lux und Josef Bartl) und des in ihre Gruppe eingegliederten Michael Pantl, eventuell auch im Hinblick auf Antal Dechandt und József Kling über eine Art – um mit Ákos Matzon zu formulieren – „latenten Archaismus“, von zeichenschaffenden, die organischen Motive in ein expressives oder geometrisches Netz stellenden Bestrebungen sprechen, oder in Anbetracht der Werke von Ákos Matzon, Ingo Glass, László Hajdú, Péter Berentz über die systemschaffende Rolle von durch Spiritualität umwobenen sowie von Transzendenz durchhauchten geometrischen Formen und Gestalten, und all dies wäre eine künstliche Konstruktion.
Wenn zwar nicht über Stiltrends, so können wir doch über Farben, Tönungen und persönliche Eigenheiten sprechen. In einer Minderheit sind die Frische des Erlebnisses des Sichtbaren festmachende (Jakob Forster) oder diese zu rhythmischen Zeichen stilisierende Bestrebungen (des auch als Künstlerautor bekannten László Heitler). Zsuzsa Trieb träumt schauderhaft; der Verfall und der Müll wachsen zu einer monumentalen Vision in den Werken von György Jovián. Aber auch mit lyrisch-expressiven Gesten ist zu experimentieren (beispielsweise bei István Damó), und obzwar ihre Laufbahn seitdem auf unterschiedliche Spuren abgezweigt ist, müssen einzeln auch jene Schüler genannt werden, die von Adam Mischs rational flimmernder Abstraktion geprägt wurden. Werke von Julius Frömmel und Volker Schwarz verfolgen weiterhin diese Spur, András Húbers verzweigende Äste bewegen sich jedoch eher in die Richtung der organischen Strukturen. Bei dieser Ausstellung ist auch das Erbe des abstrakten Expressionismus, das der mediativen Transzendenz sowie der Konzentration auf die gesamte Bildfläche in den Werken von Gábor Kovács-Gombos, László Hajdú, Manfred Karsch und Erzsébet Lieber festzustellen.
Die Vielfalt dieses Materials ist somit wohl kaum zu vermitteln. Hoffentlich werden wir in Zukunft diese Werke detaillierter analysieren und vorstellen können. Als besonders spannend erwiese sich beispielsweise ein Vergleich der Kontakte mit der deutschen Kunst sowie mit deutschen Künstlern – so die Bezüge zu der informellen Kunst (zu Wols, Emil Schumacher, Karl Otto Götz), zu der Kunstrichtung der Neue(n) Wilde(n) (zu Baselitz, Albert Oehlen) und zu den Vertretern des Neuen Konstruktivismus (Zingraff, Imi Knoebel).
Meines Erachtens kann der Weg dieser Künstler eben entlang dieser doppelten kulturellen Bindung führen, um durch die immer tiefere Verwurzelung in der deutschen und der ungarischen Kultur das Erschließen reicher Gefilde und bislang unerschlossenen Terrains zu gewährleisten. Wie auch die Schlusszeilen des anfangs zitierten Michaelis-Gedichts besagen: „Mein Ungarndeutschtum / Siebenbürgen, Österreich, Griechenland und Kroatien / ja, auch die Insel Pag mit ihrem Sonnenaufgang / und noch Südtirol, das ich bisher nicht besuchen konnte / wonach meine Seele sich sehr sehnt / Mein Ungarndeutschtum ist / hört ihr / fast europäisch.“
Gábor Pataki und Kurator Ákos Matzon
Blick in die Gemeinschaftsausstellung
Foto: Bajtai László