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Franz Sziebert – der Chronist von Leid und Freud der Ungarndeutschen

Der Name des Branauer Schriftstellers Franz Sziebert gehört sicherlich zu den bekanntesten der ungarndeutschen Literatur. Obwohl er altersmäßig der gleiche Jahrgang (1929) war wie Ludwig Fischer und Engelbert Rittinger, unerheblich jünger als Josef Mikonya (1928) und kaum älter als Georg Wittmann (1930), obgleich er sehr früh, bereits in den 1950er Jahren das erste Mal publizierte, wurde er im Allgemeinen als ein Autor wahrgenommen, der jünger zu sein schien als die anderen erwähnten Schreibenden.
Dies mag damit zusammenhängen, dass er in den ersten Anthologien ungarndeutscher Literatur kaum vertreten war. Auf diese Weise mag er zunächst zwar weniger bekannt gewesen sein als jene seiner Dichterkollegen, die schon in den 1970-, 80er Jahren reichlich veröffentlichten, doch zugleich konnten sich die Verfasser in den Veröffentlichungen in der Zeit vor der politischen Wende 1989/90 auf Grund bestehender politischer Tabus hinsichtlich vieler Themen nur vorsichtig ausdrücken. Auf diese Weise erschien Franz Sziebert der breiten Leserschaft, als er besonders nach der politischen Wende in der „Neuen Zeitung“ mit jenen seiner Texte hervortrat, in denen er ungeschminkt Themen an- und aussprechen konnte, die bis dahin nicht angeschnitten werden durften, als bedeutend entschlossener, kämpferischer, und – ja auch – als jünger, dynamischer im Vergleich zu vielen der anderen ungarndeutschen Autoren, die sich vor der Wende vorsichtiger und verschlüsselter haben ausdrücken müssen.
Sziebert wurde in Ketschinge (damals Ráczgörcsöny, heute Görcsönydoboka) etwa 20 Kilometer von Mohatsch geboren. Er stammte aus einfachen Verhältnissen, wuchs im dörflichen Milieu auf und hatte – so wie andere auch – den deutschen Ortsdialekt zur Muttersprache. Den Zweiten Weltkrieg und die Diskriminierungen in den Nachkriegsjahren durchlebte er als traumatische Erfahrung, über die er sich erst nach der politischen Wende in aller Offenheit äußern konnte – und wollte. Seine Schriften stellen einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der bis 1990 vollkommen unbewältigten tragischen Vergangenheit der Ungarndeutschen dar. Dabei sollte aber unterstrichen werden, dass sein Schaffen mehrere Facetten besitzt, und über die Nachzeichnung der Schrecken der Kriegszeit, der Vertreibung und der Nachkriegsrepressalien hinaus sich sowohl auf teilweise in der Mundart verfasste humoristische Geschichten, auf die Nacherzählung der Volksüberlieferung seiner engeren Heimat als auch Darstellungen des Lebens in seinem Heimatdorf erstreckt. Grundlage des von ihm Gestalteten war in jedem Fall die Realität in Form des Selbsterlebten bzw. des ihm in seiner engeren Heimat von den älteren Menschen Mitgeteilten, wie etwa Sagen, Märchen und Anekdoten.
Seine Leistung als Schreibender verdient auch schon aus dem Grunde Anerkennung, da er in seinem Beruf als landwirtschaftlicher Techniker nichts mit deutschsprachiger Literatur zu tun hatte.
Wie bereits erwähnt, stellt sicherlich den bedeutendsten Teil seines Schaffens jene beeindruckende Zahl von die Ereignisse aus der Zeitspanne vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1950er Jahre gestaltenden Erzählungen dar, bei deren Lesen man sich bis an die Schmerzgrenze geführt sieht, angesichts der in nüchtern-klaren Worten beschriebenen Abläufe der Zwangsmusterung in die SS, der Verschleppung, der Vertreibung sowie der Zwangsarbeit, wobei all dem danach noch in der „Ungarischen Volksrepublik“ verschiedenste Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung folgten.
Die Branauer Deutschen sahen sich ausgenutzt, betrogen und verraten: Wurden ihre Männer zuerst unter Zwang an der Front eingesetzt, damit sie ihr Leben für Ungarn einsetzten, so wurden sie nach dem Krieg als Kriegsverbrecher behandelt. Familien wurden nach dem Krieg auseinander gerissen, teilweise in die unendliche russische Steppe oder in die Gruben zur Zwangsarbeit verschleppt, von der nur wenige wieder heimkehren konnten. (So dargestellt u. a. in den Erzählungen „Im Schatten eines Kastanienbaumes“, „Am Ufer der Karaschitza“, „Unzuverlässig?“, „Von Woronesh bis Tiszalök“.) Schmerzhaft erscheinen immer wieder Beispiele der besonders peinigenden Erniedrigungen im Alltag der Nachkriegszeit. Dabei urteilen und verurteilen diese in sehr schlichter sprachlicher Form gehaltenen Erzählungen nicht, es geht nicht um irgendeine Analyse oder Klassifizierung des Schreckens, sondern um die Nachzeichnung der Schicksale und des Leids. Die sprachliche Kargheit und das Fehlen einer explizit geäußerten urteilenden Stellungnahme hinsichtlich der Frage nach Schuld und Verantwortung am verübten Leid stellt diese Texte in eine Reihe mit jenen der so genannten Trümmerliteratur, wie sie in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in (West-)Deutschland von Autoren wie Wolfgang Borchert, Heinrich Böll und Wolfdietrich Schnurre verfasst worden war. Ebenso wie in der Trümmerliteratur gibt es in Szieberts Texten einen Rest Hoffnung im Bereich der zwischenmenschlichen Humanität, die sich bei ihm – anders als in der eher urban ausgerichteten Trümmerliteratur – in der Sphäre der traditionsbewussten dörflichen schwäbischen Gemeinschaft findet. Immer wieder gestaltet er auch die Kraft und Hoffnung, die seine schwäbischen Figuren aus dem Glauben schöpfen – viel eindringlicher, als der gläubige Katholik Böll es in seine Texten getan hatte, in denen er den Aspekt von Religion und Glauben zumeist auf der motivischen Ebene gestaltete.
Dass die sprachliche Einfachheit jener Texte Szieberts, in denen er das ungarndeutsche Schicksal zwischen 1940 und 1960 nachzeichnet, das bewusste Ergebnis der Überlegung war, die Sprache seiner Texte der Sprache jener anzunähern, deren Schicksal hier sachlich dargestellt wird, zeigt sich in der Diktion seiner Sagen- und Märchennacherzählungen, der Dorfgeschichten sowie der humoristischen Texte. In diesen offenbart sich dem Leser ein unbeschwert, komplex und sich auch in Mundart äußernder Autor, der – so wird es spätestens hier klar – bei der sprachlichen Gestaltung seiner Werke viel bewusster vorgegangen war als man es auf den ersten Blick vermuten würde.
Selbst wenn Sziebert „nur“ die Nacherzählungen sowie die Dorf- und humoristischen Geschichten geschrieben hätte (deren Bedeutung von seinen ernsten Texte deutlich überlagert wird), würde man seiner unbedingt gedenken.
Eine repräsentative Auswahl seiner Schriften erschien 1998 unter dem Titel „Unzuverlässig?“ in Buchform – ein Band, dem wir viele Leser wünschen. Darüber hinaus konnten wir eine Auswahl seiner seitdem erschienenen Texte in die Hand nehmen.
Franz Sziebert hat mit schlichten Mitteln, im Grenzbereich zwischen Fiktionalität und Authentizität wandelnd als erster das tragische ungarndeutsche Schicksal Mitte des 20. Jahrhunderts literarisch gestaltet. Mit einfach scheinenden Mitteln hat er Großes geleistet.

Gábor Kerekes

NZ 2/2013

Veröffentlichungen:
„Wann kommen die Störche wieder“ – mit dieser Erzählung meldete sich Franz Sziebert in der Anthologie „Jahresringe“ (1984).
Seine Heimatgeschichten erschienen in den Anthologien „Bekenntnisse eines Birkenbaumes“ (1990), „Erkenntnisse 2000“ (2005), den Deutschen Kalendern, in der Neuen Zeitung und der Beilage „Signale“ sowie in den eigenen Bänden „Unzuverlässig?“ (1998) und „Vertrieben, Verschwiegen, Vergessen (2010).


Franz Sziebert bei einer VUdAK-Lesung im Lenau-Haus in Fünfkirchen

Foto: VUdAK-Archiv