Eine alte Mühle erstrahlt in neuem Glanz
Nach ihrer Privatisierung gelangte die Mühle der Branauer Stadt Bohl ins Eigentum eines Besitzers, der sie nicht mehr als Mühle betrieben hat. Das langsam verfallende hundert Jahre alte Gebäude hat dann die Stadt erworben und konnte es mit Hilfe einer Bewerbung bei PHARE und durch den Einsatz eigener Mittel mit einer Summe von über 200 Millionen Forint gründlich renovieren. Von außen behielt die Mühle dabei weitgehend ihr ehemaliges Erscheinungsbild, aber das Innenleben gewann völlig neue Funktionen. Im Untergeschoß wurde ein Geschäft eröffnet, es wurde ein Fahrstuhl eingebaut, es entstand eine Lehrküche für Fachmittelschüler, es wurden Räumlichkeiten eingerichtet, die sich für Proben örtlicher Kulturgruppen eignen, aber man wird auch ohne weiteres kleinere Konferenzen in den freundlichen, hellen Sälen durchführen können.
Für den großen Prachtraum auf der zweiten Etage hat man sich aber etwas ganz Besonderes ausgedacht: Hier entstand nämlich ein Werk, ein großflächiges Wandgemälde des ungarndeutschen Künstlers Robert König, das an den Gemäuern rundum im Stil alter Holzdrucke die Geschichte von Bohl seit der Ansiedlung der Deutschen dokumentiert. Die einprägsamen Bilder zeigen die Ankunft der Deutschen in den Ulmer Schachteln, die tägliche Arbeit der hier wohnenden Handwerker und Bauern, aber auch, wie man die alten Feste gefeiert hat, von Weihnachten über Ostern bis Pfingsten mit dem Pfingstlümmel. Die Darstellung reicht bis in unsere heutige Zeit, bis hin zur Dokumentation des Baus der reformierten Kirche der in der Stadt angesiedelten Ungarn.
Robert König verstand es, in der Sprache der Kunst eine Art „Biblia pauperum”, eine Bilderchronik, die auch einen Hauch Spiritualität in sich trägt, zu schaffen. All das, was durch das Ableben der älteren Generation in Vergessenheit geraten würde, wird hier in leicht einprägsamen Bildern für die Nachwelt festgehalten.
Robert König hat eine Bindung an die Stadt Bohl, die bis in seine frühe Kindheit zurückreicht. Die bei hiesigen Verwandten verbrachten Sommerferien, die tiefen Erlebnisse widerspiegeln sich in den Darstellungen, so daß auch die älteren Einwohner von Bohl bei der feierlichen Übergabe des Raumes am 11. März Abbildungen alter Bekannter (besonders der Handwerker der Stadt) erkennen konnten.
Die Feierstunde war zweisprachig, der Rede des Bürgermeisters Josef Hárs folgten künstlerische Eindrücke der Mitglieder des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler (im Verband ist auch Robert König Mitglied) Josef Michaelis und Robert Becker. In ungarischer Sprache hielt der Vorsitzende des Ungarischen Schriftstellerverbandes Márton Kalász eine tief einfühlsame Rede. Umrundet haben die Feierlichkeit der örtliche Rentnerchor sowie Formationen der Musik- und Kunstschule von Bohl.
Die zahlreich erschienenen Gäste haben im Anschluß an die Eröffnungsfeier noch lange die einzelnen Bilder diskutiert – und sind zum Schluß gewiß innerlich bereichert nach Hause gegangen.
Obwohl man für den Raum in Bohl noch keine feste Verwendung gefunden hat, wird gewiß bereits die Ausstrahlung des Saales bestimmen, welche Veranstaltungen hier stattfinden sollen. Die Branauer Kleinstadt ist aber jedenfalls um ein Kunstwerk reicher geworden, das man jetzt und in Zukunft sicherlich stolz wird allen Gästen und Interessenten vorstellen können. Wer also mal nach Bohl kommt, der sollte nicht versäumen, den von Robert König künstlerisch gestalteten Raum in der einstigen Mühle zu besichtigen!
R. B.