Ein exquisites Event in Brüssel
Dialog der Vielfalt weitergeführt
Die großzügigen Ausstellungsräume der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel waren einigen VUdAK-Mitgliedern bereits vertraut: 2007 und 2011 konnten hier Werke von VUdAK-Künstlern gezeigt werden. Die aktuelle Vernissage am 22. Juni, ein besonderer Festakt, der wegen der hohen Besucherzahl und dem eindrucksvollen Programm und nicht zuletzt wegen der niveauvollen Werke fand großen Anklang. Nach Stationen in Fünfkirchen und Berlin sind zurzeit die ausgewählten Kunstwerke der VUdAK-Jubiläumsausstellungsreihe „Gestern – Heute – Morgen“ in Brüssel zu sehen.
Die Ausstellung stelle einen Spiegel der europäischen Verständigung dar, betonte Eyke Peveling, Stellvertretender Leiter der Landesvertretung, und wies auf die nachhaltige Resonanz der beiden früheren Ausstellungen im Haus hin. Einen persönlichen, mit der ungarndeutschen Gemeinschaft tiefstverbundenen Ton schlug in seiner Rede Rainer Wieland, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, an. Der aus Gerlingen stammende Redner, dessen Schwiegereltern aus Bogdan/Dunabogdány vertrieben wurden, ließ sich als Experte der ungarischen und ungarndeutschen Kultur erkennen. Wieland bezeichnete Ungarn als nahrhaften Boden in Bezug auf herausragende Einzelleistungen auf dem Gebiet von Kultur und Wissenschaft und wies auf die Wichtigkeit von Dialogbereitschaft im Blick auf die europäische Verständigung hin.
Die stellvertretende Leiterin der Botschaft Ungarns in Brüssel, Katalin Dusaucy-Rapp – mit Fünfkirchner Wurzeln –, berichtete darüber, dass die Familiensprache Deutsch für sie nachhaltig prägend war, und hob die Wichtigkeit des Beitrags der Ungarndeutschen für die Geschichte Ungarns hervor. „Die Botschaft dieser Ausstellung ist, dass die deutsche Nationalität Ungarns im Gestern vorhanden war, im Heute lebt und schafft und, hoffentlich, auch das Morgen gestalten wird. Jederzeit erfolgreich, die ungarische Heimat und sich selbst bereichernd“, resümierte Emmerich Ritter, Sprecher der Ungarndeutschen im Ungarischen Parlament, in seiner Ansprache, den Ausstellungstitel von Kurator Ákos Matzon prägnant auslegend. Die Parallelen der einzelnen niveauvollen Ansprachen und Grußreden bestätigten eine tiefe Verbundenheit mit und eine Empathie für die Arbeit des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler. Das Stichwort Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksweisen, Dialog der Länder und Regionen, griff in ihrer vorzüglichen Einführung Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für Südosteuropa der Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum in Ulm, auf. (Die wunderbare Vernissagerede wird in der diesjährigen Signale-Nummer zu lesen sein!)
In Brüssel bestätigte sich, dass die durch das deutsche Bundesministerium des Innern finanziell geförderte Jubiläumsausstellungsreihe ein in der Vergangenheit verankertes, in der Gegenwart präsentes und zukunftsträchtiges Projekt darstellt. Wie Kurator Ákos Matzon erklärte, sei neben dem Aufzeigen und der Verbundenheit mit der Tradition und der deutschen Identität die wichtigste Aufgabe des Verbandes seit seiner Gründung, den befruchtenden Kontakt einer Diaspora mit der heutigen Welt darzustellen. Modern, aktuell, zeitgemäß.
Im Vernissageprogramm standen noch ein Gedichtbeitrag von Angela Korb sowie ein tolles Konzert mit zwei Jazzmusikern, die auch anschließend beim Empfang den Abend musikalisch gestalteten. Der aus Budapest stammende Saxophonist Tamás Zsári und sein Musikerkollege, der Franzose Benjamin Sauzereau, trugen mit ihrer Musik erstklassig zu den mit dem erlesenen Abend verbundenen prägenden Erinnerungen bei.
Dank gebührt für die aufwendige Organisationsarbeit allen MitarbeiterInnen der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel, wo die Gemeinschaftsausstellung von VUdAK „Gestern – Heute – Morgen“ noch bis 13. Juli zu sehen ist. Die nächste Station auf dem Weg des inspirierenden künstlerischen Dialogs des Jubiläumsjahres von VUdAK wird am 23. Juli in Eupen sein.
A. K.
„Gestern – Heute – Morgen“, Jubiläumsausstellung des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union, Rue Belliard 60-62, 1000 Bruxelles, Belgien
Ausstellende Künstler: Josef BARTL, Péter BERENTZ, Bernadett BRESZKOVICS, István DAMÓ, Antal DECHANDT, Julius FRÖMMEL, Jakob FORSTER, Ingo GLASS, László HAJDÚ, Erzsébet HORVÁTH, György JOVIÁN, Manfred KARSCH, József KLING, Gábor KOVÁCS-GOMBOS, Robert KÖNIG, Erzsébet LIEBER, Antal LUX, Ákos MATZON, Adam MISCH, Volker SCHWARZ, Csaba SZEGEDI, Géza SZILY, Zsuzsa TRIEB, János WAGNER
Grußwort von Eyke Peveling, Stellvertretender Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union, Brüssel
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben gerade einen ausgezeichneten Musikvortrag der beiden Musiker Tamás Zsári und Benjamin Sauzereau gehört. Sie werden diese Vernissage musikalisch begleiten.
Herzlich willkommen in der Vertretung des Landes Baden-Württembergs bei der Europäischen Union. Gerne begrüße ich Sie im Namen des Ministers der Justiz und für Europa Herrn Guido Wolf MdL. Ebenso herzlich grüße ich Sie von unserem Leiter Herrn Johannes Jung.
Ich freue mich, heute Abend mit Ihnen zum Jubiläum des Verbands Ungarndeutscher Autoren und Künstler die Ausstellung „Gestern – Heute – Morgen“ eröffnen zu dürfen.
Herzlich willkommen, Herr Vizepräsident des Europäischen Parlaments Rainer Wieland. Vielen Dank, dass Sie heute Abend bei uns sein können und ich zur Begrüßung im Anschluss das Wort an Sie übergeben darf.
Guten Abend Herr Emmerich Ritter. Sie sprechen im Ungarischen Parlament für die Interessen der Ungarndeutschen und heute Abend auch zu uns. Vielen Dank, dass Sie nach Brüssel gekommen sind.
Herzlich willkommen Frau Katalin Dusaucy-Rapp. Es ist uns eine große Ehre, dass Sie als stellvertretende Leiterin der ungarischen Botschaft in Brüssel heute bei uns sind und zu uns sprechen werden.
Lieber Herr Johann Schuth, ein herzliches Grüß Gott an Sie. Als Vorsitzender des VUdAK haben Sie sich in den letzten Monaten der Organisation dieser gelungenen Wanderausstellung gewidmet, die bereits in Pécs oder Fünfkirchen ihren Anfang nahm und über Berlin jetzt zu uns gekommen ist. Im Anschluss daran zeigen Sie sie in Eupen, in Stuttgart und zum Abschluss in Budapest.
Lieber Herr Ákos Matzon, vielen Dank für Ihr Engagement als Vorsitzender der Künstlersektion des VUdAK. Für die künstlerische Gestaltung der Ausstellung, die wir heute eröffnen gilt Ihnen als Kurator unser ganz besonderer Dank. Es bedeutet uns viel, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Für die Literatursektion des Verbands darf ich Frau Angela Korb begrüßen. Ich freue mich, dass Sie uns später mit einer poetischen Kostprobe erfreuen werden.
Ich begrüße Frau Dr. Swantje Volkmann von der Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum in Ulm. Sie werden uns nachher thematisch in die Ausstellung einführen.
Und ich freue mich, auch Frau Zsófia Vitézy-Villegas hier bei uns begrüßen zu können. Sie leitet das Balassi-Intézet und hat uns in der Vorbereitung dieser Kunstausstellung auf vielfältige Weise zuvorkommend unterstützt.
Ich freue mich heute Abend zahlreiche Vertreter der Europäischen Institutionen, Vertreter von Botschaften und Regionalbüros begrüßen zu dürfen.
25 Jahre VUdAK. Ein Vierteljahrhundert nun widmet sich der Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler schon der Aufarbeitung, Bewahrung und Weitergabe der Geschichte, der Traditionen und der kulturellen Identität der deutschen Minderheit in Ungarn.
Er wurde 1992 gegründet, als sich der Verband ungarndeutscher Autoren, der sich zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich mit ungarndeutscher Literatur beschäftigte, unter der Federführung des Künstlers Adam Misch um eine Künstlersektion erweiterte.
Schon 2007 und 2011 durften wir hier in der Landesvertretung Gastgeber von VUdAK-Ausstellungen sein und wir freuen uns mit dieser Ausstellung, die langjährige Zusammenarbeit mit dem VUdAK weiter zu vertiefen.
Mit seiner gegenwärtigen Ausstellung wandert der VUdAK seit März durch Ungarn, Deutschland und Belgien und betreibt damit auch ein wahrhaft europäisches Projekt.
Das Thema, das Sie gewählt haben, könnte dazu passender nicht sein: „Gestern – Heute – Morgen“ stellt moderne Identitätskonstruktionen dar. Und Sie alle, die heute hier sind und sich für die Bewahrung der Identitäten der Minderheiten in Europa einsetzen, tragen maßgeblich dazu bei, dass eine europäische Identität geschaffen werden kann, die auch Platz für nationale Besonderheiten lässt und so ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Kulturen auf unserem Kontinent ermöglicht.
Wie wichtig die Bewahrung gerade der ungarndeutschen Kultur ist, beweist ein Gang durch die wunderschöne Ausstellung, die wir heute eröffnen. Sie ist ein Spiegel europäischer Zusammenarbeit und Völkerverständigung. Ihr Gastgeber zu sein macht uns stolz.
Grußwort der Stellvertretenden Leiterin der Botschaft Ungarns in Brüssel, Katalin Dusaucy-Rapp
Es ist mir eine große Ehre heute Abend mit Ihnen hier zu sein, und die Jubiläumsaustellung: „Gestern – Heute – Morgen“ organisiert vom Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler (VUdAK) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa eröffnen zu dürfen. Wir sind der Vertretung des Landes Baden-Württemberg dankbar für die Aufnahme der Ausstellung und die heutige Vernissage.
Die Ausstellung führt uns in das Lebenswerk von ungarndeutschen Künstlern wie dem mit dem Lebenswerkpreis ausgezeichneten Josef Bartl, Géza Szily, Volker Schwarz oder János Wagner ein. Auch die jüngere Generation wird von talentierten Künstlern wie Bernadett Breszkovics repräsentiert. Die Mitglieder des Verbands Ungarndeutscher Autoren und Künstler widmen sich seit fünfundzwanzig Jahren der Aufarbeitung, Bewahrung und Weitergabe der ungarndeutschen Geschichte und Kultur. Eine Kultur, deren Fäden tief in das Gewebe der ungarischen Kultur eingeflochten sind. Würden wir diese Fäden herausziehen, zerfiele das gesamte Gewebe. Wie Herr Orbán Viktor Ministerpräsident Ungarns in seiner Rede am 19. Januar, dem Gedenktag der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen gesagt hat, stellt die ungarndeutsche Gemeinschaft einen organischen und unveräußerlichen Bestandteil der ungarischen Kultur dar.
Die ungarische Regierung unterstützt die Bewahrung der Identität und der Kultur der in unserer Heimat lebenden deutschen Mitbürger. Seit 2014 kann man sich im ungarischen Parlament auf Deutsch zu Wort melden, der Sprecher der Deutschen kann in seiner Muttersprache im Parlament reden. Es erfüllt uns mit Freude, dass sich in den vergangenen vier Jahren die Zahl der deutschen Schulen verfünffacht und die Anzahl der dort lernenden Schüler verdreifacht hat. Und wir sind auch stolz darauf, dass die Zahl derer, die sich als zur Gemeinschaft der Ungarndeutschen gehörig bekennen, heute schon beinahe Zweihunderttausend erreicht.
Dass die Ausstellung zum ersten Mal im Fünfkirchen zu sehen war, ist für mich ein besonders glücklicher Zufall. Angela Korb schreibt in ihrem Gedicht Fünfkirchen: „Lebendige Stadt der himmelwärts strebenden Türme“ und „Ragende Wegweiser zum Parnassus“. Für mich bedeutete Fünfkirchen (oder eher „Pécs“ wie meine Großeltern väterlicherseits Ihre Geburtsstadt genannt haben) auch den Weg zur deutschen Sprache und Kultur. Obwohl die Alltagssprache der Familie selbstverständlich Ungarisch war, kam nicht Deutsch zu sprechen nicht in Frage. Einige Wörter kamen noch „von Haus aus“ aber die meisten musste man fleißig lernen. Ich muss zugeben, dass es mir als Achtjährigen schwer fiel, das Konzept zu akzeptieren, aber heute bin ich dafür sehr dankbar, dass ich diese Rede auf Deutsch halten kann.
Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen einen sehr angenehmen Abend!
Grußwort von Emmerich Ritter, Sprecher der Ungarndeutschen im Ungarischen Parlament
Die Beurteilung eines Künstlers – oder in diesem Fall mehrerer – hängt nicht vom Stil ab. Moderne Kunst ist gerade deshalb faszinierend, weil sie heterogen ist. Von abstrakten Darstellungen bis hin zu naturalistischen, figurativen Gemälden findet sich in ihr alles. Die Qualität hingegen ist diejenige, die die Beurteilung entscheidend beeinflusst. Diese Qualität gründet auf der Fachkenntnis. Ihrer Natur entsprechend ist Beurteilung subjektiv, jedoch existieren gewisse ästhetische Leitlinien. Diese sind Tatsachen, an denen es sich festzuhalten lohnt.
Wie sollte nun ein Kunstwerk, ein Bild betrachtet werden? Mit geschlossenen Augen. Wir sollten ein Kunstwerk eindringlich betrachten, bevor wir dann unsere Augen schließen, um unser Urteil zu formulieren. Unsere subjektive Urteilsfindung sollte deshalb durch theoretische Kenntnisse ergänzt werden, um eine vollumfängliche Deutung hervorbringen zu können. Unsere subjektive Meinungsfindung wird unweigerlich durch die Umgebung sowie durch die Gesellschaft beeinflusst, in welcher wir uns befinden. So kann es sein, dass ein und dasselbe Bild verschiedene Deutungen zulässt, je nach dem, ob man es in einem Ausstellungsraum, in einem Büro oder zuhause betrachtet.
Jede Ausstellung trägt eine Botschaft in sich.
In einer individuellen Exhibition eröffnet der Künstler den Betrachtern entweder einen Lebensabschnitt, oder er gewährt einen Überblick über seinen bisherigen künstlerischen Lebensweg. Bei solchen Gegebenheiten begreift der Kunstliebhaber und Kenner die übergreifende, aber immer Künstler-abhängige Botschaft.
Die Situation ist eine andere, wenn es sich um Gemeinschaftsausstellungen handelt.
In diesem Fall hält die Werke zwar eine reale oder kreierte Kohäsion zusammen, aber verbindet diese nicht unweigerlich zu einem inhärenten Kreis. In unserem Fall ist dieser, welcher die vielseitige Ausstellung zusammenhält, das ungarndeutsche Bewusstsein, die Bindung zur deutschen Gemeinschaft in Ungarn. Das seit Jahrhunderten im Karpatenbecken schaffende Deutschtum brachte in seinem engeren heimatlichen Kreise seine ganz eigene Tracht, Baukunst, Gegenstandskultur und selbstverständlich auch seine eigene Kunst hervor. Gerade aus diesem Grunde ist es sehr schwer solchen Erwartungen zu entsprechen – wie sie in Deutschland bei der Frage der Unterstützung der modernen Kunst der deutschen Nationalität aufkamen –, dass die zu unterstützenden Künstler in ihrer Arbeit und ihren Werken objektiv und eindeutig ihre Zugehörigkeit zur Nationalität zeigen sollen.
Die Botschaft dieser Ausstellung ist, dass die deutsche Nationalität Ungarns im Gestern vorhanden war, im Heute lebt und schafft und, hoffentlich, auch das Morgen gestalten wird. Jederzeit erfolgreich, die ungarische Heimat und sich selbst bereichernd.
Ich empfehle Ihnen die Betrachtung der Ausstellung wärmstens.
Einführung in die Ausstellung von Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für Südosteuropa bei der Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum Ulm
In diesem Jahr begeht der Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler sein 25jähriges Jubiläum. Die Tradition, die Grundlagen, auf denen der Verband basiert sind aber weit älter als 25 Jahre. Damit ist auch das Fundament tiefer als dieses Vierteljahrhundert, das mit einer Wanderausstellung durch halb Europa gefeiert wird. Wahrscheinlich beruht der große Erfolg des Verbandes vor allem darauf, dass er sich nicht nur auf die letzten 25 Jahre beruft, sondern dass sich seine Mitglieder verantwortungsvoll jener bewusst sind, die vor ihnen waren und – was vielleicht noch wichtiger ist – jener, die nach ihnen kommen werden. Bemerkenswert ist daher auch das Motto, das sich die Initiatoren für ihr Jubiläum gewählt haben: Gestern – Heute – Morgen. Eigentlich verstehen wir unter einem Jubiläum die Feier der Wiederkehr eines bestimmten Datums und damit eine Erinnerungsfeier. Dass der Verband viel mehr feiert als die Erinnerung zeigt die vorgestellte Wanderausstellung. Bemerkenswerte Zeugnisse zeitgenössischer Kunst wie Ákos Matzons Ready made und Josef Bartls Bilderpoesien wechseln sich ab mit Ergebnissen der jungen Kreativen des Vereins. Allen vorgestellten Kunstwerken gemeinsam ist die Vielschichtigkeit des Lebens nicht nur aus heutiger Sicht, sondern als Ergebnis jener besonderen Determinanten, die entstehen, wenn Minderheiten mit einer eindrucksvollen Geschichte sich im jetzt und heute zu behaupten suchen.
Dass die Geschichte der Ungarndeutschen auch immer ihre eigene Geschichte ist, die ihre Biographien nachhaltig beeinflusst hat, beweist die Auswahl der Künstler, die in dieser Ausstellung vertreten sind. So gehören neben dem Gründungsvorsitzenden der Künstlersektion des Verbandes Adam Misch auch Antal Lux und der erwähnte Josef Bartl. Und damit also jene drei Künstler, die bereits 1979 in Fünfkirchen bewusst als ungarndeutsche Künstler an die Öffentlichkeit getreten sind. Von Adam Misch stammt auch jener Satz, der die gesamte ungarndeutsche Kulturszene so prägnant beschreibt: „Wer in zwei Kulturen aufgewachsen ist, der muss beide akzeptieren und sich zu beiden bekennen“.
Neben der Hommage an die Gründungsväter der Künstlersektion des Verbandes treten aber auch bedeutende zeitgenössische Künstler des Raumes auf. Und hier wird die ganze Bandbreite der Kunstäußerungen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in diesem besonderen Raum sichtbar. Die schwebende, surreale Welt der Träume und die Vermischung zwischen Realität und Phantasie der Kunst von Zsuzsa Trieb, korrespondieren mit den sakralen Bildern von Gábor Kovács-Gombos. Sanfte Töne, die zu einer meditativen Lichtreise einladen und an jene besonderen Stimmungen erinnert, die die ungarische Landschaft auf den Reisenden hinterlässt.
Die Weite des Donauraumes beweisen auch zwei weitere der hier vertretenen Künstler. Der eine am Beginn der Donau geboren, Volker Schwarz aus Ulm und der andere fast an deren Ende, Ingo Glass in Temeswar. Auch wenn ihre Kunst unterschiedlicher nicht sein könnte, der eine beseelt von seiner individuellen Farbenlehre und der andere mit ganz eigenen Interpretationen der uns umgebenden Geographie, vereint beide doch ein gemeinsames Merkmal. Die Diversität des Donauraumes trennt nicht, sie verbindet. Denn diese Region scheint auf besondere Weise Raum zu bieten nicht nur für Völker und Konfessionen, nicht nur für unzählige Sprachen und Kulturen, er bietet Raum für Phantasie.
Dem Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler kommt in diesem Raum aber eine weitere ebenso wichtige Rolle zu. Die Stärke Europas wird auch in Zukunft sicherlich auf seiner Einheit und seiner Einigkeit beruhen. Ebenso wichtig ist aber, woraus dieses Europa künftig seine Stärke beziehen wird. Und an dieser Stelle darf meines Erachtens Einheit nicht mit Vereinheitlichung verwechselt werden. Die Kraft Europas wird auch durch seine Vielfältigkeit gespeist werden.
Die deutsche Minderheit in Europa wird in dem enger zusammenrückenden Europa eine noch wichtigere Rolle als bisher spielen. Sie war und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen der Bundesrepublik Deutschland und im Fall von VUdAK der Republik Ungarn.
Seit einiger Zeit wird der Dialog der Kulturen nahezu mit einem kategorischen Imperativ eingefordert. Übersehen werden dabei aber allerdings, dass strenggenommen Kulturen keinen Dialog führen können und allzu oft werden die Attribute der Kulturen stark simplifiziert.Unbestritten ist die Tatsache, dass nicht Kulturen den Dialog führen, sondern Menschen.
Und je besser diese Menschen in der Lage sind, nicht nur über ihre eigene Kultur Auskunft zu geben, sondern sich auch in andere hineinzudenken, umso besser sind sie in der Lage, einen solchen Dialog zu führen. Dabei geht es nicht mehr nur um das Kennenlernen anderer Kulturen, es geht bereits darum, vorhandene Gemeinsamkeiten herauszufinden oder auch neue Gemeinsamkeiten zu entwickeln, sich auf einen Wertekanon zu verständigen, Lösungsmöglichkeiten für Konflikte und Modelle für ein gedeihliches Miteinander zu entwickeln.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die im Verband vertretenen Künstler bereits eine fundamentale Grundentscheidung getroffen haben. Allein durch die Tatsache, einen Dialog zu führen, anerkennen sie, dass wir allein nicht im Vollbesitz der ganzen Wahrheit sind. Wer im Besitz der ganzen Wahrheit ist, der betreibt Mission – und führt keinen Dialog, wenn das Wort noch sinnvoll sein soll. Wer in einen Dialog eintritt, der lässt sich darauf ein, dass der andere vielleicht Recht haben könnte. Anders gesagt: mit Fundamentalisten kann man keinen Dialog führen. Der Eintritt in den Dialog ist bereits das Ende des Fundamentalismus.
Neben dem initiierten Dialog zwischen den Jugendlichen aus vielen Ländern des Donauraumes streben die Initiatoren aber nach einem weiteren wichtigen Ziel. Mithilfe des Dialogs sollen die jungen Erwachsenen lernen, dass sie durch viele Kulturen und Einflüsse geformt sind und dass ein Kombinieren von Vertrautem und Fremdem eine Quelle wichtiger Erfahrungen und Einsichten sein kann. Dies wiederum setzt aber voraus, sich der eigenen Identität bewusst zu sein. Identität heißt, sich einer Gruppe, einer Nation, einem Land zugehörig zu fühlen und sich gleichzeitig seiner Individualität bewusst zu sein. Ohne das Bewusstwerden der eigenen Identität kann man auch die Identität Anderer nicht wahrnehmen und deshalb auch nicht akzeptieren.
Die Wanderausstellung ist ein großartiger Beitrag zu dem Brückenbau zwischen den Völkern in Europa. Sie schlägt einen Bogen von Ungarn über Deutschland nach Belgien und ermöglicht so das Kennenlernen der ungarndeutschen Kunst und Literatur für ein breites europäisches Publikum.
Angela Korb
ZeiTraum
zarte Orte
rauhe Gerüche
schimmernde Gedanken
wortlos die Gefühle
stöhnen im Quadrat
suchen den Kreis
ruhen im Dreieck
beirren Linien
Bildbauer
Linien, Kreise, Quadrate
klar strukturiert
beherrschen das Bild
kühn erwachende Gedanken
positionieren die Heimat
des Ewig-Künstlers:
die architektonisch
geometrische Faszination
Fünfkirchen
Lebendige Stadt
der himmelwärts strebenden
Türme
Ragende Wegweiser
zum Parnassus
geweihter Ort des Janus P.
Bischof und Poet
Häßliche Stadt
mit zerbröckelten Fassaden
in verwinkelten Gassen der Altstadt
Zigarettenmief und Bierdunst
ebenso anrüchig
wie die seelenlosen Silos
in schuldloser Landschaft
Altehrwürdige Stadt
der Türkenbäder
neben dem Tempel des Franziskus
im schlanken Minarett geistern
gebannt vom Zauber verrinnender Zeiten
längst verstummte Muezzine
und lauschen versöhnenden Glocken