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Deutschsprachige Kultur – „ein Plätzchen“ der Erinnerung 200 Jahre Deutsches Theater in Pesth

Ein besonderes Jubiläum wurde heuer im Rahmen der Woche der deutschsprachigen Kultur an der Loránd-Eötvös-Universität in Budapest begangen. Denn vor 200 Jahren eröffnete in Pesth das damals größte deutsche Theater Europas, das Königliche Deutsche Theater (am heutigen Vörösmarty-Platz), seine Tore.

Die Konferenz anläßlich des Jubiläums des ehemaligen deutschen Theaters begann am 7. November mit dem Festvortrag von Prof. Dr. László Tarnói „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“ über die deutschsprachige Schauspielkunst im alten Pesth und Ofen. Der Referent wies in seinem hinreißenden Vortrag darauf hin, daß die theatralische Leistung für den heutigen Menschen nicht nachvollziehbar sei, Theaterkritiken, Memoiren bieten ein Bild über die damalige Zeit und das Theaterleben des 18. und 19. Jahrhunderts. Auch Identitätsstrukturen der Ungarndeutschen und die Beziehungen zum Ungarntum, die Deutschsprachigkeit der „Konsumenten des geschriebenen Wortes“ und der Zeitgeist wurden umfassend behandelt. Über die Textbücher des deutschen Theaters nach der Gründung referierte Dr. László Klemm, Dr. Mária Rózsa bot einen Überblick über die Revolutionspresse Ungarns (1848/49). Über die Lehren des präromantischen Programms des deutschen Theaters sprach Dr. Ildikó Sirató (Theaterhistorische Abteilung der Széchényi-Nationalbibliothek), sie wies darauf hin, daß für dieses Jubiläum keine neuen Forschungsergebnisse erwartet wurden, sondern lediglich eine Art Verständigung, ein In-das-Bewußtsein-Rücken der Zeit vor 200 Jahren. Dr. Gabriella-Nóra Tar (Klausenburg) stellte die Zöllnersche Kindergesellschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert vor. Moderator der Konferenz Dr. Gábor Kerekes sprach über die Zeit nach 1880, als es in Budapest kein deutsches Theater mehr gab, und stellte Lebenswege und Identitätsmuster deutschstämmiger und jüdischer Künstler vor, die im Ausland ihr Talent entfaltet haben. Die zwei Diskussionsrunden nach den Vorträgen boten viel Raum für Gespräche über Zusammenleben der Nationalitäten, über Identität der deutschen Stadtbewohner, über die Wichtigkeit von Mehrsprachigkeit und setzten ein Zeichen, daß die literaturhistorische, wissenschaftliche Sichtweise auf das einstige deutschsprachige Theater Pesths über die Forschungszwecke hinaus von Interesse ist.

Von Gesellschaft, deutschsprachiger Bevölkerung, Künstlern, Schriftstellern, Zeitungsmachern konnte sich ein jeder Konferenzteilnehmer – von Experten des Themas vermittelt – ein Bild machen; von einem urbanen Raum, der für die folgenden Generationen – überhaupt in wissenschaftlichen und Forschungsstätten wie am Germanistischen Institut der ELTE Budapest – von Interesse ist. Als Abschluß des wissenschaftlich erforschten Erinnerungsguts über das einstige deutsche Theater Pesths führte Dr. István Soós entlang der Gedenkstätten der reichen Pesther Theaterkultur und erzählte auf amüsant-anekdotenhafte Weise über das einstige deutsche Leben in Pesth.

Am Vortag der Konferenz wurde am 6. November zu einem Literaturabend in Regie des Budapester Deutschen Theaters (Intendant: András Frigyesi), eingeladen. „Ungarische Zustände“ betitelt wurde das Programm aus Übersetzungen ungarischer Lyrik aus zwei Jahrhunderten von Wilhelm Droste gestaltet. Charakteristisch für diese „literarischen Streifzüge“ durch die ungarische Lyrik war die thematische Einheit der Texte. Das zahlreich erschienene Publikum erlebte dank der Interpreten der Produktion des Deutschen Theaters Budapest Petőfi, Ady, Kosztolányi, Radnóti, Weöres, Juhász, Karinthy, József Attila in deutscher Sprache. Erika Tempfli, Bálint Merán, Wilhelm Droste und András Frigyesi sorgten für die Gestaltung des gedankenanregenden, wunderbaren Lyrikabends. Für das Musikalische zeichnete Ferenc Darvas auf Melodika verantwortlich, was hervorragend die Lyrikinterpretation ergänzte. Der gelungene Abend fügte sich auch gut in die Thematik der Woche der Deutschsprachigen Kultur, da Übersetzungswissenschaft im Fokus stand.

Das reichhaltige Programm anläßlich des Jubiläums 200 Jahre deutsches Theater in Pesth wurde in Zusammenarbeit des Ungarndeutschen Forschungs- und Lehrerbildungszentrums der ELTE, des Germanistischen Instituts der ELTE und des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler realisiert. Die Organisatoren bedanken sich recht herzlich für die freundliche Unterstützung seitens des Hauses des Deutschen Ostens in München. Weiters bedanken sie sich bei den Medienpartnern und der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen.
Aus dem reichen Programm soll nächstes Jahr ein Band entstehen, um dem wertvollen kulturhistorischen Phänomen deutsches Theater Pesth im Spiegel der wertvollen Referate ein greifbares Denkmal setzen zu können.

A. K.

NZ 46/2012

Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Bayrischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert. Wir bedanken uns recht herzlich für die Unterstützung!