Der Bau des Traums
Der Künstler Jakob Forster stellt seine Staffelei unter freiem Himmel auf und macht beim Malen Aufnahmen. Bei dieser so genannten plein air (Freilicht)Malerei strömen etliche Eindrücke auf ihn ein, die Düfte, Geräusche und Banalitäten eines konkreten Moments an einem gegebenen Ort.
Wie läßt sich all das, vor allem die Wahrnehmungen, so begreifen, daß ein Bild den ewigen Wert eines Augenblicks wiedergibt? Wenn es dem Künstler gelingt, den zeitlosen Moment im Bild festzuhalten, erschließt sich dem Betrachter eine eigene innere Welt. Entdeckungen des Schöpfers wie des Schauers überkreuzen sich auf den immateriellen Feldern der Erinnerung.
Noch bis zum 22. August sind Bilder aus dem gesamten Schaffen von Jakob Forster in der HAP-Galerie im zweiten Budapester Bezirk zu sehen, ein Katalog liefert weiterführende bibliographische Angaben und Informationen zum Künstler. Die HAP-Galerie widmet sich der Pflege der Werte der ungarischen Baukunst im 20. Jahrhundert.
Auf den aktuell ausgestellten Bildern Jakob Forsters sind vor allem Gebäude zu sehen, menschliche Figuren bilden die Umgebung. Mit Hilfe der Architektur erschaffen wir Menschen uns eine eigene Welt. Zugleich werden wir in unserer architektonischen Umgebung widergespiegelt. Architektur weist beispielsweise eindeutig darauf hin, welche Gesellschaft Bauern verkörperten, ob sie eine Identität hatten und in ihrem Leben zuhause waren.
Ein Haus ist eine komplizierte Angelegenheit, obwohl die Sache einfach sein sollte: Der Mensch will immer etwas Schönes und Gutes erbauen. Das schließt auch den Willen zur Definition des eigenen Raums im Kosmos ein. Was der Mensch hinterläßt, bildet für die Nachfolgegenerationen den Lebensrahmen.
Das Haus ist auch ein Ursymbol der Seele. Am besten können wir das bei Kleinkindern erleben. Sie beginnen zu zeichnen, kritzeln ein Häuschen mit Fenstern, und die Fenster bekommen ein Kreuz. Das Haus formt ein Angesicht mit weiten Augen, dessen Fokus durch das Kreuz bestimmt ist.
Was wir als Kind von der Welt begreifen, erreicht uns durch eben diesen Punkt. Am Anfang bekommen wir alles von außen vermittelt, über die Kreuze stoßen wir zu unseren Wahrheiten vor. Mit Hilfe dieser Schlußfolgerungen errichten wir eigene Häuser und geben so unsere Sicht auf die Dinge und unsere Erfahrung des Raums weiter.
Jakob Forster entstammt einer alteingesessenen Baumeisterfamilie, seine Vorfahren lebten schon vor 400 Jahren in Ungarn. Er studierte Architektur an der Universität für Angewandte Künste. Forster faßt Bauten als Phänomen an und für sich auf. Es geht ihm nicht etwa um das Gewicht eines Ziegels, sondern um die Darstellung von Natur und Bauten als einer organischen Einheit, und dies mit von leichter Hand geführtem Pinsel. Forster interessiert sich für die Wirkungen von Häusern auf die Seele. Massive Blöcke schweben zwischen Erde und Himmel, eine Märchenwelt, in der sich Realität und Gefühl verdichten. Vielleicht haben wir bei Forsters Bildern auch deshalb oft das Gefühl, wir würden sie schon kennen. Wir erinnern uns plötzlich an schon längst vergessen geglaubte Träume, werden förmlich in die Bilder hineingezogen.
Wer sich mit den von Forster gewählten Techniken auskennt, sieht erst recht, welche Meisterwerke er vor sich hat. Die Bilder werden in feinen Rahmen präsentiert. Nicht fehlen darf die gedruckte Signatur in Gold.
Zunächst mögen wir schmunzeln, doch bald erkennen wir die Ernsthaftigkeit hinter allem. Wir sollten bescheiden sein, was Eigenart angeht. Als Teil einer unendlichen Reihe ist das Einzelne eine Gnade. Bilder mögen in Vergessenheit geraten, Entdeckungen des schöpferischen Geheimnisses hingegen nie.
Die Ausstellung ist bis 22. August 2008 in der HAP-Galerie in Budapest (II., Margit krt 24. Erdgeschoß) zu sehen, und zwar montags bis freitags zwischen 14 und 19 Uhr. Weitere Informationen können unter www.hap.hu abgerufen werden.
Borbala Cseh