„DaSein“ – Identität, Sprache, Kunst und Literatur der Ungarndeutschen
Der Aspekt der Vielfalt
„Vielfalt“ als Schlagwort bildet hervorragend die Tätigkeit im Verband Ungarndeutscher Autoren und Künstler ab. Individuelle Leistungen, die mit dem Hintergrund der deutschen Abstammung Autoren und bildende Künstler in die Vereinstätigkeit einbinden. Die gemeinsame Präsentation der Sektionen für bildende Kunst und Literatur bot auch am 24. April im Amt des Ombudsmanns für die Grundrechte einen Einblick in die Tätigkeitsfelder des Verbandes.
Die Grundidee einer Gemeinschaftsausstellung der VUdAK-Sektion für bildende Kunst im Amt des Ombudsmannes stammt von Barátság-Chefredakteurin Eva Mayer. Nach ausführlichen Vorbereitungsgesprächen bei Dr. Erzsébet Szalay-Sándor, der für den Schutz der Rechte der Nationalitäten in Ungarn zuständigen Stellvertreterin des Ombudsmanns, entstand das bemerkenswerte Konzept der Veranstaltung, das unter dem Titel „DaSein“ realisiert wurde. Es handelt sich hierbei um eine Reihe zwecks Vorstellung der in Ungarn beheimateten und anerkannten dreizehn Nationalitäten. Die erste Veranstaltung fand unter der Beteiligung von bildenden Künstlern der Roma im Amt des Ombudsmannes statt.
Bekannte Elemente systematisiert
Die Aufgabe des Amtes des Ombudsmannes sei der Schutz der Grundrechte der ungarischen Staatsbürger sowie das Mitverfolgen der zu schützenden Werte und Interessen der Nationalitätengemeinschaften, hob Gastgeberin und Moderatorin des Rundtischgesprächs, Dr. Erzsébet Szalay-Sándor, hervor. Hilfestellung und Zusammenarbeit seien wichtig, Grundvoraussetzung hierzu sei der Dialog, das Gespräch. Um das subjektive Erlebnis zu verstärken, entstand die „DaSein“-Programmreihe.
Mit reichem Fotomaterial illustriert umspannte der Vortrag der Soziologin Dr. Györgyi Bindorffer den jahrhundertelangen Wandel der Identität der Deutschen in Ungarn. Vertreibungsdenkmäler, Traditionen, Bräuche und Elemente der Kultur nahm die Referentin als Beispiel für die Identitätskonstruktionen und die starke Gemeinschaftskohäsion innerhalb der Gruppe.
Fünfzehn Jahre empirische Forschung über die (sprachliche) Identität junger Ungarndeutscher stellte Linguistin Dr. Susanne Gerner, Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Fünfkirchen, vor. Sprachverlust, additive Zweisprachigkeit und der Wandel der sprachlichen Kompetenzen waren die wichtigsten Punkte ihres Vortrags. Ein kritischer Punkt sei hinsichtlich des Sprachverlusts, ob in der Familie die Nationalitätensprache weitergegeben und verwendet würde. Beide Referentinnen stellten eine komplexe Identitätsdefinition vor: kumulativ, situativ und dynamisch, um nur einige Aspekte zu nennen. Wichtig sei das Vermerken des Unterschieds zwischen Kommunikations- und Identifikationssprachen, betonte Dr. Gerner.
Spannendes Rundtischgespräch
Reflexionen zu den Vorträgen, die Frage der Wahrnehmung der Nationalitätengemeinschaft seitens der Mehrheitsgesellschaft, gemeinsame Projekte der einzelnen ungarländischen Nationalitäten, die Positionierung und Bewertung der Deutschen in Ungarn, waren einige der interessanten Fragen, die Dr. Erzsébet Szalay-Sándor beim Rundtischgespräch den Teilnehmern stellte.
Ákos Matzon, Munkácsy-Preisträger, Sektionsvorsitzender des VUdAK für bildende Kunst, Robert Becker, Lyriker, Sektionsvorsitzender der VUdAK-Literatursektion, und Angela Korb, Autorin, VUdAK-Geschäftsführerin, sprachen über Kunst und Literatur. Ákos Matzon betonte, dass sich der visuelle Unterricht in den Schulen in einer miserablen Lage befände, aus dieser Sicht hätten es die ungarndeutschen Autoren besser, da ungarndeutsche Literatur an zweisprachigen und Nationalitätenschulen Lehrstoff sei. Auf seine provokative Aussage, dass sich das Ungarndeutschtum hinsichtlich der Reflexion der Mehrheitsgesellschaft in Ungarn in einem Reservatszustand befände, erklärte Otto Heinek, LdU-Vorsitzender, dass die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen stets daran arbeite, diesen Zustand zu verbessern. Er betonte, dass es wichtig sei, eine in die Zukunft gerichtete Identität zu schaffen, die nicht auf stetes Leid und Kummer zu bauen sei, deswegen begrüße er Initiativen, Denkmäler der Ansiedlung realisieren.
Dass die Mehrheitsgesellschaft den Nationalitäten wenig Beachtung schenke, sei keine Neuheit, sondern ein Trend, der seit der Zwischenkriegszeit andauere, betonte Historiker Dr. Ferenc Eiler. Exemplarisch erzählte Emmerich Ritter, Sprecher der deutschen Minderheit im Parlament, über den Wandel der primären sprachlichen Sozialisation in seiner Familie.
„DaSein“ in der Kunst
Erfahren und Miterleben, das Kennen der Denkweise der Mentalität und der Probleme der Nationalitätengemeinschaften seien wichtig, betonte Dr. Erzsébet Szalay-Sándor bei der Vernissage der Gemeinschaftsausstellung der VUdAK-Sektion für bildende Kunst. „Wir sind da“, unterstrich Sektionsvorsitzender Ákos Matzon und wies auf die kommende Ausstellung am 3. Juni in der Klebelsberg-Kulturkurie in Hidikut hin. Er betonte die Vielfalt als wichtigen Aspekt der Gemeinschaftsausstellung.
In die Ausstellung führte Kunsthistorikerin Borbála Cseh ein, den musikalischen Rahmen boten Georg Geiger, Trompeter, Liszt- und Kossuth-Preisträger, und Harfenistin Éva Maros, ebenfalls Liszt-Preisträgerin. Passend zu den Kunstwerken lasen Robert Becker und Angela Korb Gedichte. Kunst als individuelle Leistung, mit dem Hintergrund der gemeinsamen Abstammung und der Vielfalt des schöpferischen Instrumentariums von Formen, Farben, Symbolen und Bedeutungen, die der Betrachter für sich erschließt, dies sind die Eckpunkte der bis zum 28 Mai zu besichtigenden „DaSein“-Ausstellung. Vertreten sind Josef Bartl, Péter Berentz, István Damó, Antal Dechandt, Jakob Forster, Julius Frömmel, Ingo Glass, László Hajdú, László Heitler, György Jovián, Manfred Karsch, Gábor Kovács-Gombos, Robert König, Erzsébet Lieber, Antal Lux, Ákos Matzon, Adam Misch, Volker Schwarz, Géza Szily, Zsuzsa Trieb, János Wagner.
Die gelungene Präsentation bot auch Raum für Begegnungen, beim Empfang gab es Zeit für weiterführende Gespräche.
A. K.
NZ 18/2015
Eva Maros und Georg Geiger bereicherten musikalisch die Vernissage
Foto: Bajtai László