Budapester Misch-Gedenkausstellung im Haus der Ungarndeutschen
Adam Misch (1935 – 1995) wurde in Schorokschar, dem einstigen Marktflecken, geboren, das zwar als XXIII. Bezirk zu Budapest gehört, aber seinen ländlichen Charakter bewahrt hat. Die streng geschlossene Gesellschaft ist schwäbischer und fränkischer Abstammung, bis heute teilweise zweisprachig.
Zwischen 1955 und 1960 studierte Misch in der Freien Kunstschule der Csepel-Werke, 1965 bekam er an der Hochschule für Kunstgewerbe in Budapest sein Malerdiplom, ab 1973 bis zu seinem plötzlichen Tode leitete er auf der benachbarten Donauinsel dieselbe Volksschule. Wie seine Tochter Ildikó Schwarz-Misch bei der Vernissage am 6. Mai im Budapester Haus der Ungarndeutschen betonte, ließ er seinen Schülern immer die größtmögliche Freiheit, sowohl in der Auswahl der Themen als auch im Stil der Darstellung und korrigierte die fertigen Arbeiten nur minimal, um die eigene Persönlichkeit der Nachwuchstalente zu stärken. Seit 1963 reiste er ziemlich regelmäßig nach Süddeutschland, ab den 1970er Jahren aber suchte er immer wieder Westberlin auf, wo sein Schorokscharer Künstlerfreund Antal Lux lebte und wirkte. 1992 wurde er Mitbegründer des Verbandes Ungarndeutscher Autoren und Künstler und Gründungsvorsitzender der VUdAK-Künstlersektion.
Die aktuelle Gedenkausstellung im HdU präsentiert in drei Sälen etwa drei Dutzend Bilder aus allen Lebensphasen, aber ganz ungewöhnlich, ohne Titel und Angaben. Obwohl dadurch die Arbeit des Kunstchronikers ziemlich erschwert wird, kann das Konzept der Kuratorin, der Witwe des Künstlers Márta Heim-Misch, akzeptiert werden. Sie ist nämlich der Meinung, dass der Maler seine Kompositionen nie betiteln wollte, weil er die Betrachter nicht beeinflussen wollte, sondern ihren Gefühlen freien Lauf lassen und eigene Inspirationen entwickeln lassen wollte.
So konnte auch ich frei entdecken, wie am Anfang seiner Karriere, in den 1960er Jahren, die aquarellierten Stillleben – mit Zierobjekten aus Glas, Keramik samt Blumenstrauß in der Vase auf der Tischplatte – oder die Reihe der urbanen Veduten sowie der Naturlandschaften impressionistische Leichtigkeit haben. Ich träumte für mich in diese malerischen Visionen sanfte Hügel mit Wäldern oder bestellte Felder, Dorfstraßen oder Weinkeller sowie eiserne Brücken über den Flüssen, sogar Tiere oder menschliche Silhouetten hinein… Den Übergang zwischen der Gegenstandsdarstellung und kompletter Abstraktion bilden die konstruktivistischen Kompositionen der 1970er Jahre mit Öl auf Leinwand, an streng geometrische Formen angeklebte figurative Zeitungsbilder oder gedruckte Textreste sowie handgemalte Buchstaben, Zahlen, Pfeile usw. In den 1980er Jahren schweben die teilweise deformierten Dreiecke, Quadrate oder Kreuze frei und lösen sich immer mehr im Labyrinth einer organischen Abstraktion auf, die entweder lyrisch leise oder dramatisch schreiend sein kann. Die relativ großformatigen Akryl-Kompositionen der 1990er Jahre wurden letztendlich im Zeichen der „gestischen Malerei“ ganz von kompositioneller Strenge befreit. Die scheinbar „chaotisch“ wirkenden Linien und Farbflecken „sprengen“ fast die Rahmen der Bilder. Die benutzten gemischten Techniken führen dieses Labyrinth-Gefühl der „neobarocken“ Rankenwerke weiter und trotzdem herrscht überall eine gelöste, echt malerische Dominanz des „Informel-Stils“ und der sogenannten „taschistischen Tendenzen“.
Nach der Schließung der aktuellen Ausstellung werden die Organisatoren im Laufe des Gedenkjahres diese Auswahl – teilweise mit noch nie gezeigten Werken aus dem Familienbesitz – auch in Fünfkirchen und in Kispest präsentieren.
István Wagner
NZ 20/2015
Die Gedenkausstellung Adam Misch ist im Haus der Ungarndeutschen, Budapest VI., Lendvay u. 22, bis zum 19. Juni zu besichtigen. Um vorherige telefonische Anmeldung +36/1/373 0933 wird gebeten.
Bei der Vernisssage: Johann Schuth, Ildikó Schwarz-Misch, Marta Misch-Heim. Am Zymbal: József Csurkulya
Foto: Bajtai László