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Aus Ziegeln ein Haus, aus Worten ein Zuhause Die ungarndeutschen Autoren Josef Kanter und Josef Michaelis lasen aus ihren Werken

Umsiedlung, Aussiedlung, Vertreibung – Wörter, die die großen Völkerwanderungen in Folge des Zweiten Weltkrieges beschreiben. Wie die Geschichtsschreibung mit diesen Fachbegriffen umgeht, hängt von vielen Faktoren ab, wie politischen Einrichtungen, außenpolitischem Umfeld, kulturhistorischen Traditionen und Einprägungen. Mit solchen und ähnlichen Themen beschäftigt sich das Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE). Das Institut wurde im Jahr 1989 in Oldenburg gegründet, um die Bundesregierung in allen Fragen zu beraten, welche die Erforschung, Darstellung und Weiterentwicklung von Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa betreffen.
Hon. Prof. Dr. Konrad Gündisch, Mitarbeiter der Geschichtsabteilung des Institutes, stellte in seinem Vortrag im Rahmen der Lesereihe „Ungarndeutsche Autoren im Fokus” am 17. April im HdU in Budapest nicht nur das Institut und seine Arbeit vor, sondern gab auch einen Überblick über seine Forschungen zum Thema „Darstellung der Deutschen in der ungarischen Geschichtsschreibung”. Dazu empfahl er einige Standardwerke zum Nachlesen, welche die öffentliche Meinung über die Haltung der ungarischen Regierung zum Thema „Vertreibung” – auf ungarisch euphemistisch „Aussiedlung” genannt – verfeinern.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung, die von der Robert-Bosch-Stiftung finanziert wurde, bekam das Publikum eine authentische, persönliche Aufarbeitung dieses Themas geboten. Im Gedicht „Erinnerung” sprach Josef Kanter in der Rolle eines Chronisten die Jugend und Jugendlichen an und berichtete über traurige Zeiten, die mit dem Zweiten Weltkrieg angefangen haben. Kanter rezitierte seine in Paarreimen geschriebenen Zeilen, wie das früher die Sagenmeister in der Spinnstube seines Heimatortes Sagetal wohl taten. Allerdings ohne das angesprochene junge Publikum, das im Vortragssaal des HdU fehlte, wofür Kanter in seinen Reflexionen auch die Gründe genannt hat: Urbanisierung, Generationsunterschiede, mangelnde Einheit innerhalb des Ungarndeutschtums.
Josef Michaelis sprach mit seinem Gedicht in Schomberger Mundart ein anderes Thema an: die Wandlung der identitätstragenden Faktoren innerhalb der Minderheit. Im Gespräch nach der Lesung gab er selber zu: Er erlernte die deutsche Sprache während seines Studiums als Hochdeutsch neu; seine Schüler in der Grundschule sprechen und verstehen nur noch die Standardsprache und erlernen sie fast ausschließlich in der Schule.
In Kindergedichten und Kurzgeschichten, die von Schülern ins Ungarische übertragen wurden und in einer zweisprachigen Ausgabe erschienen, sieht der Lehrer Michaelis nicht nur eine Möglichkeit des spielerischen Spracherwerbs, sondern auch eine Form von Ausbildung der neuen Lesergeneration für die ungarndeutsche Literatur. An diesem Abend las er aber für die anwesenden Erwachsenen. Josef Michaelis trug eine breite Palette seiner epigrammatisch kurzen und sentenzhaften Gedichte über Dichtung, Natur und Wandlung der Zeit vor.
Die beiden Dichter haben unterschiedliche dichterische Haltungen, aber in ihren Zielen stimmen sie überein. Auch wenn der größere Erfolg in deutschsprachigen Ländern mit Marketing zu erreichen wäre, wie es einige Erfahrungen in Österreich zeigen, wollen sie vor allem für das ungarndeutsche Publikum und für diejenigen in Ungarn schreiben, die diese Sprache verstehen und sich für diese Kultur interessieren. Dazu soll aber die neue Generation von ihnen aufgezogen werden. Denn Worte sind wie Ziegelsteine, wie es Michaelis in einem Epigramm treffend schreibt und Kanter aus seinem alten Handwerk als Maurer weiß.

Marianna Vágó

NZ 17/2007

 

Josef Michaelis, Moderator András Balogh, Josef Kanter und Konrad Gündisch im HdU